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"Baader" Film von Christoph Roth (Regie) und Moritz von Uslar (Buch),
126 Minuten, betrachtet von Günter Langer 25 Jahre nach dem Tod in Stammheim, 32 Jahre seit Gründung der RAF,
frage ich mich, welches Interesse haben Filmemacher bzw. das
anvisierte Publikum an der Geschichte von Protagonisten jener Zeit?
Wofür finden diese Ereignisse heute noch Verwendung? Ich weiß es
nach Sicht dieses Films während der Berlinale nicht. Das war auch
nicht zu erwarten. Dafür benötigen wir erst die Reaktionen in den
Kinos. Wie wirkt der Film, welche Erinnerungen ruft er wach, zeigt er,
was man noch nicht wusste, bringt er neue Erkenntnisse? Es ist ein Film gemischt aus Realität und Fiktion. Drei Personen
werden mit richtigem Namen benannt: Andreas Baader, Gudrun Ensslin und
Ulrike Meinhof. Alle anderen Figuren schaffen "rein zufällig"
Assoziationen zu ehemaligen RAF-Akteuren, seien sie nun bereits tot
oder auch nicht. Holger Meins, Peter Homann und Horst Mahler sind zu
erkennen, die Frauen bleiben so blass, dass sie niemandem zugeordnet
werden können. Dabei waren gerade in der ersten RAF-Generation starke
Frauen dabei: Ingrid Schubert, Astrid Proll, Marianne Herzog, Brigitte
Asdonk, Monika Berberich, hinzu kamen Irmgard Möller, Katharina
Hammerschmidt, Susanne Albrecht, Brigitte Mohnhaupt, Irene Goergens,
Angela Luther und Petra Schelm. Eine Riesenchance blieb ungenutzt:
Eine Guerilla, von Frauen dominiert, weshalb konzentriert sich dieser
Film auf einen Baader? Doch damit sind wir schon beim nächsten Problem mit dem Film. Er heißt
zwar "Baader", ist aber eigentlich nur eine Kurzfassung der RAF-Geschichte.
Die Biographie Baaders bleibt undeutlich, seine Herkunft aus dem
Rotlichtmilieu wird sogar ganz weggelassen. Es gibt keinerlei Erklärung,
was ihn zur linken Szene getrieben hat, geschweige denn, weshalb in
der von ihm praktizierten brutalen Rigorosität. Der Zusammenhang von
Kiez und Frauenverachtung ("Fotzen" ist Baaders
Lieblingsvokabel), die im Film dankenswerterweise als "faschistisch"
denunziert wird, der Zusammenhang von Kiez und Gewalt, das Denken in
Schwarz und Weiß ("Mensch oder Schwein"), all das bleibt
unerklärt. Seine Gastrolle in der Kommune
1 zusammen mit Gudrun bleibt völlig ausgeblendet. Die Darstellung
dieser Episode hätte die Möglichkeit geboten, ein starkes
Kontrastprogramm zu dem von Gudrun und ihm eingeschlagenen Weg zu
zeigen, bzw. auch den Einfluss, den die Kommunarden um Kunzelmann,
Langhans und Teufel auf sie ausübten. Immerhin stammte das berühmt-berüchtigte
Flugblatt "Burn
Warehouse Burn", eine Reaktion auf den Brand eines Kaufhauses
in Brüssel, aus der K1. Haben die vier Frankfurter
Kaufhausbrandstifter sich die Inspiration für ihre Aktion dort geholt? Der Film unterstellt eine diktatorische Führungsrolle Baaders in der RAF,
ähnlich der des kolumbianischen Guerillaführers "El Lobo"
im neuen Arnold Schwarzenegger-Film "Collateral
Damage", der demnächst auch in unsere Kinos kommt. Hier will
Baader einen Kritiker im Palästinenser-Ausbildungscamp liquidieren,
dort wird Unachtsamkeit schon mit einer grausamen Todesstrafe bedacht,
eine Giftschlange wird dem Delinquenten durch den Mund in den Körper
eingeführt. So krass kommt "Baader" nicht daher, aber er
weist in dieselbe Richtung. Richtig ist leider, dass diese Filmsequenz
auf wahren Begebenheiten beruht, deren Problematik vor vier Jahren
auch öffentlich zwischen Stefan Aust und Horst Mahler ausgetragen
wurde. Peter Homann zeigte sich im Wüstencamp nicht besonders
begeistert, wollte evtl. aussteigen, woraufhin Horst Mahler ihn vors Volkstribunal
stellen wollte. Die Gruppe diskutierte dann tatsächlich, ob in dieser
Situation irgend jemand das Recht in Anspruch nehmen konnte,
aussteigen zu wollen. Die Palästinenser wollten sich ihrerseits mit
keinem Mord belastet sehen und brachten Homann lieber in Sicherheit. Kein Held ohne Gegenheld. Dieser erwächst aus einem linken Sozialdemokraten
zum manischen Terroristenjäger, zum Präsidenten des BKA. Im Film heißt
er Krone, wird gespielt von Vadim Glowna und Ähnlichkeiten mit Horst
Herold sind "rein zufällig". Wir wissen aber, diesem Mann
verdanken wir die auch neuerdings wieder bemühte Rasterfahndung.
Obwohl "Krone" häufig im Film gezeigt wird, bleibt er
dennoch irgendwie nicht nachvollziehbar, er bleibt fremd. Noch schlimmer ergeht es den Frauen. Von zwei Frauen wird gezeigt, dass sie
auf Baader abfahren, Gudrun Ensslin, gespielt von der etwas blassen Laura
Tonke, Luzis Tochter, und eine Frau aus der zweiten Reihe.
Entgegen der historischen Wahrheit erscheint Gudrun lediglich als
geschätzte Erfüllungsgehilfin und die andere Genossin mehr oder
weniger als geduldete Groupi, die auch prompt bei einer Aktion zu Tode
kommt. Diese Umkehrung der Wirklichkeit ist besonders ärgerlich,
dient sie doch nur der patriarchalen Vorstellung, harte Aktionen können
nur von Männern ausgedacht bzw. durchgeführt werden. Eine ernste
Angelegenheit wie eine Guerilla kann unmöglich von Frauen geführt
werden. Das stimmte natürlich weder bei der RAF noch bei der
konkurrierenden Bewegung
2. Juni, wo insbesondere Ina Siepmann, Gabriele Kröcher-Tiedemann,
Ilse Schwipper, Juliane Plambeck und Inge Viett treibende Rollen
spielten. Es stellt sich wirklich die Frage, weshalb die Filmer diese
Tatsachen nicht sehen wollten, bzw. sie wissentlich eine völlig
andere Geschichte erzählen. Nach spätestens einer Stunde schaue ich auf meine Uhr. Die Hoffnung auf
mehr Unterhaltung erfüllt sich nicht. Heiter ist der Film nur an
einer einzigen Stelle. Die Frauen lassen sich von den palästinensischen
Guerilleros im Camp nicht von ihren Männern trennen und, Gipfel der
Impertinenz, sie ziehen sogar ihre Tops aus, um sich in der Wüste zu
sonnen. Rings rum wird dabei fleißig geballert. Gegenüber den debil
erscheinenden Arabern darf Emanzipation gezeigt werden, das passt in
die heutige Zeit des Clash of Civilizations. Der Film beansprucht nicht, die historische Wahrheit getreu abzubilden,
Baader sucht den Tod im Kugelhagel und nicht in Stammheim, und trotz
der (kurzen) Vietnamkriegssequenzen bleibt der Aufstandsversuch
unverständlich. Das wäre nicht so schlimm, wenn er wenigstens das
Flair jener Zeit oder wenigstens guten aktuellen Pop auf die Leinwand
bringen würde, statt Che-Guevara-Poster jetzt eben Baader oder so ähnlich.
Dafür haben die Filmer allerdings auf den falschen Schauspieler, Frank
Giering, gesetzt, er ist einfach nicht sexy genug. Kettenrauchen
allein tut's nicht, auch nicht die fast versteckte Fixersequenz. Wer
kann sich schon mit Lungenkrebs oder Hepatitis anfreunden? Stattdessen
mokiert sich Baader, vermutlich realgetreu, über die Berliner
Haschrebellen, die er überhaupt nicht leiden konnte. Mit dem
Haschrebell Georg von
Rauch geriet er im Untergrund derart aneinander, dass die beiden
sich fast duelliert hätten. Das wäre doch auch was für einen Film,
zwei Guerilleros schießen sich einen aus. Wann kommt der Film über
diese haschenden Polithippies? Das gäbe eine tolle Gelegenheit, schöne
Menschen in Kommunen zu zeigen, gute Musik
zu Gehör zu bringen, zu zeigen, dass Revolution auch Spaß machen
kann, Aktionen und zwischenmenschliche Beziehungen zu dramatisieren.
Mit MC5,
kurz im Film angespielt, müssen wir einstweilen sagen: Kick out
the jams, motherfuckers! Besprechungen in anderen Medien:
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