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 Immigration ohne Integration?

 

Euphorie der Freiheit - Das Wirken der Necla Kelek (Spiegel, 29.3.10).
Ihr neues Buch: Necla Kelek, "Himmelsreise" - Mein Streit mit den Wächtern des Islam

Hamed Abdel-Samad: Der Islam hat ein Problem mit sich selbst, mit seinen Ansprüchen und Weltbildern. In Europa wird ein Maulkorb schneller gefertigt als jedes Gegenargument. Wer Muslime tatsächlich ernst nimmt, muss Islamkritik üben. Wer mit ihnen auf gleicher Augenhöhe reden will, sollte mit ihnen ehrlich sein, statt sie als Menschen mit Mobilitätsstörungen zu behandeln. Schlimm genug ist es, wenn jemand Menschen für Behinderte hält, die keine sind. Noch schlimmer ist es, wenn er anfängt, vor ihnen zu hinken, um eine Behinderung vorzutäuschen, in der Illusion, sich mit ihnen dadurch zu solidarisieren. Der Autor (Jg. 1972) ist Politologe und Schriftsteller. Von ihm erschien das autobiografische Buch „Mein Abschied vom Himmel“ (Fackelträger Verlag, 2009) (Welt, 29.1.10).

Henryk M. Broder: Islamkritik ist nicht vergleichbar mit Judenhass. Während der Antisemitismus auf hysterischen Ängsten und Erfindungen beruht, hat die Islamophobie eine reale Basis. ... Zunächst einmal hat der Antisemitismus wenig mit Juden und gar nichts mit deren Verhalten zu tun. ... Was immer der Jude tut (oder unterlässt), der Antisemit macht es ihm zur Vorwurf. ... Basiert der Antisemitismus also auf hysterischen Ängsten, Erfindungen, Projektionen und Neidgefühlen, hat die „Islamophobie“ eine reale Basis. Es sind die Terroranschläge islamischer Terroristen, die sich auf ihren Glauben berufen... Im Falle des Islam liegt das Problem nicht bei den Kritikern, sondern beim Gegenstand der Kritik. Und bei Experten, die beim Wechsel der Paradigmen aus der Bahn fliegen. (Welt, 12.1.10).

 

 
                 Necla Kelek
                                                           Necla Kelek

Necla Kelek beklagt fehlende Selbstkritik der Muslime
In den deutschen Medien ist eine Debatte über die Grenzen der Islamkritik entbrannt. Dabei wird eine „Islamophobie“ konstatiert, die manche für genauso fundamentalistisch halten wie den islamischen Fundamentalismus selbst. Eine der attackierten Islamkritikerinnen ist die Soziologin Necla Kelek. Sie verteidigt ihre Haltung:
Meine Kritiker scheinen den urdeutschen Schuldkomplex abzuarbeiten. Wer ernsthaft meint, das Eintreten für Menschenrechte sei so fundamentalistisch wie der Aufruf zum Heiligen Krieg, der verabschiedet sich aus dem sachlichen Diskurs.... Das große Problem ist, dass die westlichen Individualisten nicht nachvollziehen können, was der Islam ist. Sie denken, er sei nur eine Variante ihres Glaubens, eben eine mit Kopftuch. Der Islam ist aber ein System, das den Menschen als Sozialwesen und nicht als Individuum sieht, er fordert das Kollektiv...  ...
Der Begriff soll beschreiben, dass Kritik am Islam eine irrationale, also unbegründete Angelegenheit ist. Es ist ein Kampfbegriff, der von Islamstiftungen in Saudi-Arabien aufgebracht wurde und jetzt auch bei uns die Runde macht. Man spürt in den Debatten auch ein männliches Ressentiment gegen jene Frauen, die bestimmte Auswüchse des Islam kritisieren: Seyran Ates, Hirsi Ayaan Ali oder auch Irshad Manji. Aber unterschätzen Sie auch nicht die Ressentiments von Frauen gegenüber ihren Geschlechtsgenossinnen. Die unsachlichsten Nachreden kommen meist von Redakteurinnen mit und ohne Migrationshintergrund. Seitdem die Kritik vor fast tausend Jahren aus dem islamischen Denken verbannt wurde, hindert diese Gesellschaft sich selbst am Fortschritt und straft alle Dissidenten als Verräter ab. Der Zweifel als Triebfeder der Erkenntnis ist dem islamischen Denken verloren gegangen. Es ist auffällig, dass alle kritischen islamischen Denker im Westen leben.   ...Artikel wie „Die Hassprediger“ in der „Süddeutschen“ sind destruktiv, weil sie versuchen, die Berechtigung von Religionskritik an sich infrage zu stellen. Die Islamisten und Islamfunktionäre reiben sich die Hände in Unschuld.   ...   Nein, einen Euro-Islam wie Bassam Tibi ihn sich gedacht hat, gibt es nicht. (Welt, 1.2.10).



Seyran Ates will wieder als Anwältin arbeiten - Suche nach neuer Kanzlei
Die türkischstämmige Frauenrechtlerin Seyran Ates wird doch weiterhin als Rechtsanwältin tätig sein. Das teilte der Berliner Anwaltsverein gestern mit. Seyran Ates habe sich nach einem ausführlichen Gespräch mit dem Deutschen Juristinnenbund und dem Anwaltsverein dazu entschlossen, hieß es. "Wir werden für Frau Ates eine Anwaltssozietät suchen, in der sie ihre Arbeit weiterführen kann", sagte der Vorsitzende des Anwaltsvereins, Ulrich Schellenberg. Das soll bis zum Beginn des kommenden Jahres geschehen. Bis dahin wolle sich Seyran Ates von den Strapazen der vergangenen Wochen, auch mit ärztlicher Hilfe, erholen. (Berliner Zeitung, 12.9.06).


Seyran Ates
(Seit Juni 2007 Trägerin des Bundesverdienstkreuzes)

Die Leiden der Seyran Ates (Mariam Lau). Die bekannte Frauenrechtlerin setzt "ein Signal". Sie wolle nicht enden wie Ayaan Hirsi Ali und in die USA auswandern müssen. Deshalb löst sie lieber ihre Kanzlei wegen der Hetze und der Gewalt gegen sie auf. Ihr Rückzug bedeute, sagt sie, dass es in Deutschland nicht möglich ist, Kritik am politischen Islam und an der Unterdrückung der Frau zu äußern, ohne ständig in Gefahr zu leben. Für eine Einzelperson sei es zu gefährlich, authentisch Kritik zu üben. Man müsse vorsichtig und diplomatisch sein. "Das Opferschutzgesetz muss dringend erweitert werden,“sagt sie (Immer wieder bedroht – und allein gelassen). Bei Politikern, auch bei ihren Parteifreunden von der SPD, sei sie aber auf taube Ohren gestoßen. Die frühere Frauenministerin und Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth (CDU) forderte Personenschutz für Ates. Süssmuth sagte, Frauen wie Ates, die sich nie gegen ihre Ursprungskultur gestellt hätten und das Leben in zwei Kulturen vorlebten, seien „eminent wichtig für die Integration vor allem muslimischer Frauen. Wenn sie sich jetzt zurückzieht, haben diejenigen gewonnen, die sie bedrohen. In diesem Moment hat eine demokratische Gesellschaft unter Beweis zu stellen, dass sie nicht zurückweicht.“ 
Türkischer Bund bietet Zusammenarbeit an. Gewalt gegen Frauen sei auch in der türkischen Gemeinde ein ernsthaftes Problem, sagte TBB-Sprecher Safter Cinar. "Wir bieten Frau Ates an, zusammenzukommen und gemeinsam an dieser Problematik zu arbeiten." Der TBB halte es für seine vordringlichsten Aufgaben, dem Selbstbestimmungsrecht der Frauen zu Geltung zu verhelfen. Seyran Ates hält es für beleidigend, wenn sich jetzt die Türkische Gemeinde oder der Türkische Bund Berlin-Brandenburg zu ihrem Fall äußerten, sagte Ates dem Nachrichtenportal. Das seien jene, "die die Hetze gegen mich mit geschürt haben, weil sie immer wieder behauptet haben, ich würde dramatisieren und übertreiben". Sie wolle nicht so enden wie die niederländische Politikerin und Islamkritikerin Ayaan Hirsi Ali: "Ich liebe Berlin, ich möchte hier leben und nirgendwo anders. Dieses Land irgendwann verlassen zu müssen, wäre tragisch für mich." Ayaan Hirsi Ali schreibt dazu: "Europa muss die muslimischen Frauen stärken. Europas Politiker haben das Potenzial noch nicht erkannt, das in der Befreiung der muslimischen Frau steckt. Sie vergeuden damit die beste Gelegenheit, die Integration von Muslimen innerhalb einer Generation zum Erfolg zu führen. Moralisch gesehen sind die Regierungen dazu verpflichtet, Gewalt gegen Frauen auszurotten. Fundamentalisten würde das erst klar machen, dass die Europäer ihre Verfassungen ernst nehmen. Heutzutage denken die meisten Unterdrücker einfach, dass die westliche Rhetorik über die Gleichheit von Frauen und Männern feige und verlogen ist, weil westliche Regierungen den Missbrauch von Millionen muslimischer Frauen dulden, wenn ihnen gesagt wird, das geschehe im Namen der Religion."
Ganz anders türkische Medien. Die türkische Tageszeitung Hürriyet startete im März 2005 unter der Überschrift „Diese Anwältin ist irre geworden“ eine Kampagne gegen Ates, als diese im Interview mit der „taz“ türkische Männer kritisierte und so Türken gegen sie aufbrachte. Ates sagte darin: „Viele Mädchen müssen sich auf Analverkehr mit Jungs einlassen – weil dies die beste Verhütungsmethode ist.“ Und: „Die Frauen sind Sklavinnen auf dem muslimischen Heiratsmarkt“. Hürriyet warf ihr vor, zu verallgemeinern. Am Sonnabend schrieb die Hürriyet aber erstmals, dass auf Seyran Ates vor über zwanzig Jahren ein Attentat verübt wurde. Die Zeitung beschrieb zudem detailliert den letzten Fall einer Bedrohung, weswegen die Anwältin jetzt aufgibt. Plötzlich gibt's auch einen Aufschrei Berliner PolitikerInnen. Der Berliner Anwaltsverein und der Deutsche Juristinnenbund (djb) wollen gemeinsam eine Anwaltssozietät suchen, die Ates aufnimmt. Politiker wollen ihr helfen.

Necla Kelek: "Frauen werden zu Unruhestifterinnen stigmatisiert. Mit dem Tragen eines Kopftuchs werden Frauen zu sexualisierten Wesen reduziert, anstatt gleichberechtigte Menschen zu sein. Frauen müssen sich zudecken, damit die Männer nicht unruhig werden. Sie verhüllen sich nicht für Gott, sondern weil Männer ihrer Triebe nicht Herr werden." (SPIEGEL, 5.7.06).

Theaterstück in Köln: Ehrenmord-Drama in türkischer Sprache

Das neue Buch von Necla Kelek: Die verlorenen Söhne. Plädoyer für die Befreiung des türkisch-muslimischen Mannes. Rezension in der FAZ vom 15.3.06: "Sie ruft u.a. zur Ächtung der Polygamie auf und verlangt Sanktionen, um das Verbot der brutalen und riskanten Beschneidung türkischer Jungen durchzusetzen. Selbstverständlichkeiten, sollte man meinen, doch sind sie es nicht". Sie beschreibt anhand von Fallgeschichten - auch der ihrer eigenen Brüder -, wie die Söhne der Einwanderer den Gesetzen der Väter folgen, den archaischen Regeln eines Dorfes, in denen es um Ehre, Blutrache und Respekt für die Älteren geht.(Zwischen den Welten, Welt, 15.3.06)

In der ZEIT fordern so genannte Migrationsforscherinnen und Migrationsforscher in einem offenen Brief „Gerechtigkeit für die Muslime“. Sie attackieren dabei vor allem Necla Kelek und Seyran Ates. Kelek hat sich bereits zur Wehr gesetzt und ihrerseits scharfe Kritik an den MigrationsforscherInnen geübt.

Alice Schwarzer verteidigt die beiden Angegriffenen in der Emma vom März/April 2006:
Offene Antwort - Das Klima wird kühler für Multi-Kultis. Und die Pfründe weniger.

Necla Kelek im Interview: Eure Familien, unsere Familien (FAZ.NET, 23.2.06)
Regina Mönch
: Die wahre Empirie - (FAZ, 8.2.06)
Regina Mönch
: Falsche Freiheit - (FAZ, 3.2.06)

Die andere Kultur ist keine Entschuldigung Ehrenmorde und Parallelwelten: 
"Wir haben viel zu lange geduldet, dass der Islam in Deutschland immer aggressiver auftritt." Von Necla Kelek

„Bei uns gehört Brutalität zur Kultur“. Necla Kelek erklärt das Rollenverständnis türkischer Männer – am Beispiel von Strafgefangenen (Tgsp. 13.3.06). Necla Kelek: Die verlorenen Söhne. Plädoyer für die Befreiung des türkisch-muslimischen Mannes. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2006. 208 Seiten, 18,90 Euro.


Sozial- und Erziehungwissenschaftler
Hartmut Krauss hat einen Gegenaufruf verfasst und bittet um Unterstützung per E-Mail. Dieser Gegenaufruf sei im Folgenden dokumentiert.

Gerechtigkeit für demokratische Islamkritikerinnen!


Mit realitätswidriger Schönfärberei und „positiven“ Vorurteilen wird Integration und wahrheitsorientierte Migrationsforschung verhindert. Ein Warnruf

Ehrenmorde, Zwangsheiraten und rigide patriarchalische Grundorientierungen sind ebenso wie antijüdische Verschwörungsideologien und mangelnder Respekt gegenüber säkular-demokratischen Grundprinzipien ernst zu nehmende und nichtmarginale Phänomene innerhalb der islamisch geprägten Kulturgemeinschaft. Darüber gibt es national und international eine umfangreiche Literatur einschließlich zahlreicher hinreichend validierter Studien. Vor diesem Hintergrund behauptet niemand, dass sämtliche Muslime aktive Anhänger und Akteure eines reaktionär-konservativen bis fundamentalistischen Gesetzesislam sind, aber es ist gut begründet davon auszugehen, das innerhalb der islamischen Gemeinschaft starke und einflussreiche Sektoren existieren, die einen strengen, schariatischen und grundrechtswidrigen Glauben lehren, predigen, normieren, anstacheln und repressiv überwachen. Insofern verbietet sich eine undifferenzierte Generalamnestie für alle Muslime.

Wenn nun eine Gruppe von „MigrationsforscherInnen“ die literarisch verarbeiteten Lebenserfahrungen von Frauen, die den strengen Gesetzesislam in multipler Form am eigenen Leib erfahren haben, als „Boulevard-Stories“ und „reißerische Pamphlete“ abqualifiziert, so ist das nicht nur respektlos und demütigend, sondern auch unwissenschaftlich. Denn bei diesen Lebensberichten handelt es sich um ‚dichte', hermeneutisch relevante Beschreibungen der Umsetzung einer Religion in normative Alltagspraxis bzw. um die Legitimation interpersonaler Herrschaftsausübung durch Religion. Oftmals haben diese ‚verdichteten' individuell-konkreten Erlebnisreportagen eine erheblich größere Aussagekraft, als jene oberflächlich-empiristischen Untersuchungen, bei denen mit Hilfe von spezifisch zugerichteten Vorgaben „glättend“,„abschwächend“ und zerstückelnd in die Probanden „hineingefragt“ wird und entsprechende Klischees über die „böse“ (pauschal-rassistische) Aufnahmegesellschaft bedient werden. Zudem weisen die Berichte von „islamgeschädigten“ Frauen schon aufgrund ihrer konkreten Zurechenbarkeit einen erheblich größeren Authentizitätswert auf als die stereotypen Parolen jener „Vorzeige- und Nadelstreifenislamistinnen“ und Konvertitinnen, die wie speziell geschulte Mitglieder eines Wanderkaders durch die Medien ziehen.

Die Autoren des Aufrufs „Gerechtigkeit für Muslime“ werfen Necla Kelek „unwissenschaftliches“ und „unseriöses“ Vorgehen vor. Angeblich hätten sie und andere Autorinnen wie Seyran Ates „eigene Erlebnisse und Einzelfälle zu einem gesellschaftlichen Problem aufgepumpt (…), das umso bedrohlicher erscheint, je weniger Daten und Erkenntnisse eine Rolle spielen. “ Doch hinter diesem Gestus der „Wissenschaftlichkeit“ steckt ein ideologischer Abwehrmechanismus, der darauf abzielt, Kritik an den vielfältigen antiemanzipatorischen, undemokratischen und freiheitsfeindlichen Aspekten des orthodoxen Mehrheitsislam, die nicht in das eigene kulturrelativistische Raster paßt, a priori zu delegitimieren. Im Grunde wird ein einfaches apologetisches Prinzip verfochten: Es kann nicht sein, was nicht sein darf. Negative Merkmale der Migranten müssen sich immer aus dem „Hypertheorem“ „Rassismus der Aufnahmegesellschaft“ ableiten lassen; niemals darf die normative Prägekraft des Islam als Ursache in Erscheinung treten. Dass in breiten Teilen der islamischen Gesellschaften fremdenfeindliche Einstellungen gegen Un- und Andersgläubige vorherrschen und geringfügigste Anlässe zu schweren Ausschreitungen führen können, darf dieser parteilichen „Migrationswissenschaft“ erst gar nicht in den Sinn kommen.

Necla Keleks Argumentation stimmt durchaus mit empirischen Forschungsergebnissen überein. So hat das türkische Forschungsinstitut für Frauen Profile im Jahr 2000 herausgefunden, dass für 89 Prozent der türkischen Frauen die Jungfräulichkeit vor der Ehe ein Zeichen der Ehrbarkeit ist. 44,9 Prozent der Frauen und 45 Prozent der türkischen Männer sind der Meinung, dass der Ehemann berechtigt sei, seine Frau zu schlagen, falls diese ungehorsam ist. 77,8 Prozent der misshandelten Frauen schweigen. Zwei von drei Frauen werden per Brautwerber an den Mann gebracht. 24 Prozent der Brautväter verlangen vor der Ehe Brautgeld. Von den verheirateten Frauen sind in den ländlichen Gebieten 52,2 Prozent und in den Städten 36,3 Prozent mit dem Ehemann verwandt.

Seit ihrer Dissertation hat sich Frau Kelek offensichtlich von bestimmten ideologischen Scheuklappen und dominanten Diskursauflagen befreit und erkannt, dass die sozialisationsbedingte Übernahme konservativ-islamischer Grundüberzeugen – trotz formal-oberflächlicher Anpassung an die hiesigen Lebensverhältnisse – bei zahlreichen Migrantenjugendlichen nach wie vor als gravierende Integrationsbarrieren wirken und bei nicht wenigen den Nährboden für die Aneignung islamistischer und nationalistisch-rechtsextremistischer Orientierungen bilden. Diese kritische Reflexion intramuslimischer Herrschaftsverhältnisse und Sozialisationsinhalte wird ihr jetzt von unkritischen Migrationsforschern als Verrat vorgeworfen, – verletzt sie damit doch deren kulturrelativistisches Grundtabu. Ganz offensichtlich soll hier die realitätsadäquate Aufdeckung von Tatsachen und Zusammenhängen stigmatisiert werden.

Während nämlich die weiblichen Heranwachsenden das normative Korsett der islamischen Familienmoral zumeist passiv erleiden und mitunter sekundär rationalisieren, haben sich viele männliche Jugendlichen einen vulgären Mascho-Islam zurechtgezimmert, der je nach Bedarf utilitaristisch eingesetzt wird: Während man gegenüber den eigenen Schwestern und weiblichen Verwandten die Rolle des repressiven Sittenwächters einnimmt, werden ‚unislamische' Verhaltensweisen systematisch diskriminiert und auch teilweise aggressiv attackiert. Einheimische Frauen in „westlicher“ Kleidung und muslimische Frauen, die sich unverschleiert in der Öffentlichkeit zeigen, gelten als moralisch minderwertige Wesen und „Freiwild“. So wird in einer Studie über demokratiegefährdende Phänomene in Berlin-Kreuzberg festgestellt: „Tatsächlich haben wir in Interviews vielfach gehört, dass Frauen etwa als ‚Nutten’ oder ‚Huren’ beschimpft werden. Frauen in Deutschland, so heißt es unter nicht wenigen Jugendlichen mit Migrationshintergrund ‚sind ja bereit und sie haben keine Moral. ’ An anderer Stelle wird von verbalen Attacken wie ‚Du deutsche Nutte, halt’s Maul!’ berichtet. “ (Zentrum für demokratische Kultur 2003, S. 129) Verwiesen wird auch darauf, dass diese diskriminierenden Attacken nach Aussagen einer Sozialarbeiterin bereits bei Kindern von Einwanderern aus der Türkei und arabischen Ländern anzutreffen sind. Demnach haben diese ‚Muslimkids’ eine alleinstehende Frau mit folgenden Worten beleidigt: „Na, was bist denn du für eine Schlampe, das kann ja nicht sein, du lebst hier allein, und wieso hast du denn nicht einen Mann, und du hast wohl keinen ab gekriegt. . . ’. Zum Alter der Kinder sagt sie: ‚Na die sind zwischen sechs und zwölf Jahren, also wirklich richtige Kinder’. “ (ebenda, S. 129f. )

Deutschland ist kein islamophobes, sondern ein islamophiles Land, wo in der Öffentlichkeit kaum über die wirklichen Grundübel der islamischen Herrschaftskultur gesprochen werden darf. Frau Kelek und andere mutige Autorinnen haben ein Tabu durchbrochen und dafür werden sie jetzt mit pseudowissenschaftlichen Bannworten gescholten. Solange sich hierzulande aber die vorgebliche „Migrationswissenschaft“ in den Händen solcher islamophiler Kulturrelativisten und zensierender Tabusetzer befindet, ist es um die Herausbildung eines angemessenen Integrationsdiskurses schlecht bestellt. Die soziokulturelle Grundvoraussetzung einer gelingenden Integration ist nicht selbstverleugnende Nachgiebigkeit, sondern das konsequente Einfordern von Respekt gegenüber der säkular-demokratischen Grundordnung.