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Fritz Teufel
Arno Widmann: Beerdigung Fritz Teufel. "Grüß
die Großmutter, wenn du sie triffst" (FR,
15.7.10).
Dieter Kunzelmann war ganz in Weiß,
und als Bob Dylan sang: "He
was, he was a friend of mine", da konnte der schmale, alte
Mann sich nicht mehr beherrschen. Er weinte. Aus Augen und
Nase. Rotz und Wasser. Die Gäste waren überwiegend über
sechzig Jahre alt. Es gab keine Jung-Teufel, die ein wenig
Spaß-Guerilla gemacht hätten. Es gab Vertreter aus allerlei
Fraktionen des bewaffneten Kampfes. Manche im Rollstuhl oder
am Rollator. Andere wiederum schwangen sich nach der
Trauerfeier auf ihre Räder und verschwanden im Stau der
Friedrichstraße. Einer aber stand an einem mächtigen
Motorrad. Einer BMW 1200. Die Tankfüllung, so sagte er,
reiche von Paris bis Dakar. Ulrich Enzensberger
hatte in seiner Rede daran erinnert,
dass jeder der Richter, die über Teufel zu Gericht gesessen
hatten, schon während der Nazi-Zeit im Justizdienst gewesen
war. Man versteht die damalige Opposition nicht, wenn man
vergisst, gegen wen sie opponierte. Ein Moment lang wurde
auf dieser Trauerfeier auch der Verrat betrauert, der fatale
Absturz Fritz Teufels aus der Spaß- in die Blutguerilla.
Foto-Serie auf dem Friedhof der SZ mit Dieter Kunzelmann
(ohne Joint), Rainer Langhans und Christian Ströbele, Bommi
Baumann, Inge Viett und Ralph Reinders, Gretchen Dutschke,
Helene Lollo
Der Humorist der 68er ist tot (taz,
7.7.10).
Der
berühmte 68er wurde gerade mal 67. Er litt an der
unheilbaren Nervenkrankheit Parkinson seit er 55 Jahre alt
war.
"Ich bin geworden, was ich mir unter einem
humoristischen Dichter vorstelle." (taz-Interview
vom 11.4.10). Fritz
Teufels letztes Interview "Ich war am anfälligsten für
die Liebe" (tgsp.,
4.2.10, 7.7.10). "Das menschliche Leben ist nur auf eine
bestimmte Zahl von Jahren angelegt. Ich bin jetzt 66, da
haben Leute meiner Art in früheren Generationen längst das
Zeitliche gesegnet oder sind umgebracht worden. Ich hätte ja
auch Aids haben können oder eine andere tödliche Malaise."
Eine unglaubliche Pointe Ihrer
Krankheit ist, dass Sie von einem Ur-Kommunarden der K1
ärztlich behandelt werden: von Hans Joachim
Hameister. Er gehörte wie Sie zu den neun Leuten,
die am 1. Januar 1967 die K1 am Stuttgarter Platz begründet
haben. "Es gibt schon dumme Zufälle. Hameister
ist homöopathischer Arzt, früher war er der begnadetste
Redner der gesamten FU. Ihm zuzuhören war ein Erlebnis, er
war sogar besser als Rudi Dutschke - und das will etwas
heißen. Weil ich nach dem 2. Juni 1967 ein halbes Jahr im
Knast verschwunden bin, hatte ich den Kontakt zu Hameister
verloren. "Warum kommst Du erst jetzt", hat er mich nach 40
Jahren gefragt." Die großen
Politstrategen der 68er hatten eher meterweise Marx und
Lenin im Regal. "Wir waren in der K1 keine
Marxisten. Was wirklich relevant war in der Kommune, war die
Psychoanalyse. Das Duo Faschismus und Psychoanalyse war das
große Thema und die Frage, wie viel Faschismus wir als
nachfolgende Generation noch intus hatten....Ich finde immer
noch, dass es eine tolle Zeit war. Wir waren jung,
unbekümmert, unerfahren. In den Jahren 1967 und 1968
herrschte eine solche Vertraulichkeit und Fröhlichkeit, es
war eine unglaubliche Aufbruchsstimmung und dazu diese
hippiemäßige Zärtlichkeit. Wir waren richtig selig, man
konnte sich jeden Tag neu verlieben. Ich habe davon
reichlich Gebrauch gemacht....Ich war damals am anfälligsten
für die Liebe. Auch heute ist das noch ein Thema. Für mich
hat vor allem der Spaß dazugehört. In der Kommune waren ja
die verschiedensten Planstellen angelegt. Der boshafte Gnom
als Happeningdirektor - das war die Planstelle unseres
Prokuristen Kunzelmann. Rainer Langhans, unser Chef, hatte
die Stelle des esoterischen Reinheitsfanatikers, er hatte ja
intensive Erlebnisse mit einem Honigglas, auf dem "Reiner
Bienenhonig" stand."
Ihre Planstelle war … "Personalleiter
und Humorist mit Sitzfleisch."..."In Sachen Militanz waren
wir ja gespalten und zerstritten. Aber wir wollten auch
nicht den Weg von Langhans gehen. Der hat nur noch davon
gesprochen, dass wir alle Popstars werden. Und ein dummes
Huhn wie Ursel Obermeier wurde plötzlich als Sexgöttin
ausgerufen. Wir wollten etwas anderes. Wir glaubten
wirklich, die historische politische Fehlentwicklung der
naziverseuchten Bundesrepublik korrigieren zu müssen....
Nach dem Tod der RAF-Leute in Stammheim - ich zweifle bis
heute, dass es Selbstmord war - ist mir in Gesprächen im
engsten Freundeskreis die Sinnlosigkeit dieses Kampfes klar
geworden. Dazu kam ein sehr persönlicher emotionaler Touch.
Es ging um das Mädchen, das meiner ersten Liebe Sunnhild
nachgefolgt ist: Irmgard Möller, mit der ich 1968 und 1969
in München eine wunderbare Zeit in der Kommune Wacker
Einstein zusammen war …" Herr
Teufel, haben Sie nach all den Jahren Ihren Frieden mit
dieser Gesellschaft gemacht? "Ich habe
mich nie im Kriegszustand befunden. Wir waren keine Krieger,
wir waren eher Blues Brothers oder Stadtindianer, kurz vor
der Einweisung in ihre Reservate. Verglichen mit den
Jahrzehnten davor war unsere 68er Zeit zudem eine friedvolle
Epoche. Was dieses Land angeht, sehe ich, dass es
resozialisiert wurde und damit wieder in die Gemeinschaft
der Nichtverbrecher-Staaten aufgenommen werden konnte. Sie
haben eine halbwegs funktionierende Demokratie aufgebaut."
Wolfgang Kraushaar: Kommunarde Fritz Teufel -
Nach dem Clown kamen die Knarren
(Spiegel, 8.7.10): Teufel war zweifelsohne ein
Antiautoritärer der ersten Stunde, einer, der die junge
Bundesrepublik, der man wegen der NS-Vergangenheit eines
großen Teils ihrer Machtelite voller Misstrauen begegnete,
dazu zwingen wollte, Farbe zu bekennen....Kein anderer aus
der 68er-Bewegung hat - wenn man einmal von Rudi Dutschke
absieht - solche Emotionen geweckt wie Teufel.
Rainer Langhans: "Er
verstand die Welt nicht, in der er lebte"
(et-Interview, 7.7.10)
Fritz 1967 (mit Brille) und sein letzter
Arzt, Hans-Joachim Hameister, rechts hinten
(Vorn: Dagmar Seehuber, Ulrich Enzensberger,
hinten: Dieter Kunzelmann, Dorothea Ritter)
Bernd Rabehl:
Ping-Pong mit dem Teufel (anschläge, 8.7.10).
Wikipedia:
Fritz Teufel
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