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Krisengesamtreport Kapitel 5
5 Währungsrelationen
und Währungsprobleme Dabei sind einige Probleme offen: - Sind die neuen Kredite „junior“, „pari passu“ oder „senior“ gegenüber den bisherigen Schuldtiteln? Je nach Antwort sind die entsprechenden Haushaltsansätze abzuschreiben oder nicht. - Die mittel- und langfristige Problematik des Fehlens einer europäischen Finanz- Wirtschafts- und Hauhaltspolitik bleibt völlig ungelöst. - Ob weiteren Wackelkandidaten auf der Schuldenbühne der internationalen Finanzindustrie in gleicher Weise gerettet werden sollen wird z.Zt. dadurch in Abrede gestellt, dass auf die einmalige Situation Griechenlands verwiesen wird. Die nächsten Kampfplätze für die Euro-Zone heißen Portugal und Spanien. - Müssen die Handlungsmöglichkeiten für die EZB verbessert werden, die Schuldtitel der klammen Kandidaten unmittelbar aufzukaufen? - Macht Europa eine große politische Wendung zu einem europäischen Bundesstaat, oder bleibt es im nicht zu gewinnenden Klein/Klein-Defensivkampf hängen? Griechenlands finanzielle Situation Italien (s. auch bei EU und Euro-Zone)
> Italiens
Finanz- und Außenminister machen darauf aufmerksam, dass zwar die
Staatsverschuldung ion Italien mit 125 % zu hoch sei, dass jedoch die
Bruttoverschuldung Italiens (unter Einschluss auch der privaten
Schulden) nach Deutschland die nächstgeringe in der EU sei. Sie werden
daher allen Formulierungen und Zielsetzungen für den Stabilitätspakt
dann nicht zustimmen, wenn dort allein auf den Abbau der staatlichen
Verschuldung abgestellt werden sollte. (FTD, 17.05.10) Spanien (s.bei EU und Euro-Zone) Portugal (s. bei EU und Euro-Zone) Irland (s. auch bei Eu und Euro-Zone) Deutschland „Sparer aller Länder, verweigert euch“, FTD, Kapitalglosse vom 11.05.10 „… Lt. Bundesbank hatte die öffentliche Hand Ende 2009 Verbindlichkeiten von 1833 Merd. €, was pro Kopf der arbeitsfähigen Bevölkerung zwischen 16 und 65 Jahren einem Wert von knapp 33 700 € entspricht. Selbst wenn die Staatsschulden bei 1833 Mrd. € stabilisiert werden könnten, stiege die Bürde pro Kopf der Erwerbsbevölkerung bis 2050 lt. UNO-Projektion auf rund 48 400 €. Gleichzeitig soll die Zahl der über 65Jährigen aber von 16,6 auf 22,9 Millionen Menschen zunehmen – oder um fast 38 %. Sogar bei einer beträchtlichen Anhebung des effektiven Renteneintrittsalters und gleichzeitiger Vollbeschäftigung würden die daraus rührenden fiskalischen Lasten immens ausfallen. Außerdem stagnieren die Schulden ja mitnichten. Lt. IWF wird Deutschland bis 2015 ein (zusätzliches) Staatsdefizit von 560 Mrd. € aufweisen. Und wie sich am Wochenende herausgestellt hat, bürgt das Land nun zudem auch noch für >Kredite von anderen Euro-Mitgliedern, die dermaßen über ihre Verhältnisse leben, dass sie jetzt schon auf jenes Problem zu(ge)laufen (sind), das Deutschland bald haben dürfte – dass sie am Kapitalmarkt keine Darlehen mehr bereitgestellt bekommen, weil die Anleger wissen: Sie kriegen ihr Geld nicht mehr zurück. Die gute Nachricht also heißt: Theoretisch kann die Einhaltung der Schuldenbremse nun als ausgemachte Sache gelten. Denn es ist jetzt nur noch eine Frage von wenigen Jahren – oder Monaten(?), oder Wochen(?) - , dass Deutschland auf dem Kapitalmarkt von privaten Anlegern keinen Cent mehr erhalten wird. Jetzt die schlechte Nachricht: Die Schuldenbremse ist genau so viel wert wie die EU-Verträge – nichts. Und die Bundesrepublik Deutschland wird auch in ein paar Jahren noch viele neue Anleihen emittieren, denn die EZB wird sich als fügsamer Käufer erweisen. Wenige Tage vor der NRW-Wahl hatten J.C.Trichet und der EZB-Rat den Aufkauf von Staatsanleihen angeblich noch nicht einmal erwogen. Wenige Stunden nach Schließung der Wahllokale heißt es, die EZB kaufe private und öffentliche Anleihen auf, um die „Störungen“ auf „dysfunktionalen Märkten“ zu beseitigen. Was ist daran eine Störung, wenn ein Land keinen Kredit mehr kriegt, den es sich nicht leisten kann? Oder hält es die EZB inzwischen mit der Fed, die jeden Markt mit fallenden Kursen als dysfunktional betrachtet? USA „Europa kämpft mit Milliarden gegen die Schuldenkrise – dabei sind die Finanzprobleme der Euroländer geradezu harmlos im Veergleich zur Lage in den USA. Auf fast 13 Billionen Dollar summiert sich Amerikas Staatsverschuldung. Wenn sie nicht bald reduziert wird, droht der Kollaps…. Im Herbst 2008 überschritt die Verschuldung die Zehn-Billionen-Dollar-Marke….Die US-Zahlen sind in der Tat atemberaubend. Das gilt sowohl für die gesamte Staatsverschuldung als auch für das aktuelle Defizit, das im Haushaltsjahr 2009 noch hinzukommt: mehr als 1,4 Billionen Dollar – ebenfalls ein historischer Höchstwert. Die Summe entspricht dem Dreifachen des Vorjahresrekords, als die Finanzkrise richtig begann, … Auch in Zukunft dürfte die US-Staatsverschuldung jährlich um eine weitere Billionen wachsen. Die Prognose für 2019: 18,4 Billionen Dollar. Für diesen gigantischen Schuldenberg werden dann allein 700 Mrd. Dollar Zinsen und Gebühren fällig“, eine Summe, für die das heutige reguläre Steueraufkommen nicht ausreicht. „Besonders teuer wurden für den Staat die Maßnahmen gegen Kreditkrise und Rezession. Allein die Rettungspakete für die Wall Street und die Konjunktur, … summierten sich auf mehr als 1,5 Billionen Dollar. Zugleich sanken die Steuereinnahmen des Staates dramatisch... Mehr als die Hälfte der US-Regierungsschulden liegen über Staatsanleihen in öffentlicher Hand. Die (anderen) Gläubiger sind Privatinvestoren, Industriekonzerne, Wall-Street-Banken, ausländische Regierungen (China: 877,5 Mrd $, Japan 768,5 Mrd $, G.B. 231,7 Mrd. $, Brasilien 170,8 Mrd $) … Amerika sei auf einem „unverantwortbaren fiskalischen Weg“, warnte der US-Rechnungshof. „Die Nation muss einen Kurswechsel einleiten, bevor das Defizit und die Verschuldung beispiellose Höhen erreichen.“ Die Schuldenkrise, obwohl unübersehbar, wurde bisher (politisch) vertagt. Dabei läuten die Alarmglocken. Die Rating-Agentur Moody´s – selbst tief in die Ursachen der Finanzkrise verstrickt - warnte kürzlich, dass der wachsende US-Schuldenberg zur Abwertung der Staatsanleihen führen könnte.“ < Frage: „Und was ist mit den USA? < Ferguson: Wann sich die Märkte gegen Amerika richten, ist schwer vorherzusagen. Die finanzielle Situation der USA ist unhaltbar. In 2040 wird das Land seine gesamten Steuereinnahmen für den Schuldendienst einsetzen müssen. Das ist 8unmöglich. Aber im Moment sehen die Investoren die USA sogar noch als sicheren Hafen. Sie kaufen US-Treasuries und stärken den Dollar. Das erzeugt die Illusion, dass Amerika stark ist. < Frage: Gibt es keinen Ausweg? < Ferguson: Wenn man durch Wachstum nicht aus diesem Dilemma herauskommen kann, gibt es nur drei Möglichkeiten: Entweder Inflation oder eine Staatspleite oder ein Bail-out. Aber wer ist stark genug, um die USA vor dem Ruin zu bewahren? Die Schuldenkrise kann der Auslöser für den Zusammenbruch der Supermacht Amerika sein.“ (s. auch Krisen Gesamtreport (bis April 2010)) > GB wird sich in den Verhandlungen um die Konkretisierung des Stabilitätspaktes bis zum 17.06. weigern, der EU künftig die „Koordinierung der Haushaltspolitik der Mitgliedsstaaten“ zu übertragen (FTD, 17.06.10) Es gibt eine große Zahl von Meldungen über drastische Lohnerhöhungen in der chinesischen Exportindustrie. Dabei kommen offensichtlich mindestens zusammen, dass zum einen die bisherigen Löhne angesichts der Inflation nicht mehr für eine Reproduktion der Industriearbeiter ausreichten und zum anderen diese Entwicklung – so scheint es im Moment – auf die großen Zentren der chinesischen Exportindustrien beschränkt sind. Es geht dabei um Lohnerhöhungen von bis zu 50 % bzw. bis auf das durchschnittliche Niveau von 300% des gesetzlichen Mindestlohns. Diese Entwicklung hat einen relativ spontanen Ausgang genommen und wird jetzt von den großen Regionalzeitungen mit Verständnis positiv verstärkt. Die hier verwendete spezife Begründung für die Berechtigung bzw. Notwendigkeit von Lohnerhöhungen hat etwas damit zu tun, dass in einem Großteil der Exportindustrien inzwischen ausgesprochen fachlich qualifizierte Arbeiten notwendig sind, um den Produktionszielen entsprechen zu können. „In großen Artikeln wird das „Ende der billigen Arbeit“ beschworen, während Kommentare Investoren daran erinnern, „dass es nicht länger möglich sein wird, Gewinne mit Hilfe niedriger Arbeitskosten hochzutreiben“ meldet die FAZ am10.06.10. „Bislang konnten sich Chinas Arbeitnehmer wenig auf Unterstützung verlassen. Ausgerechnet der Arbeiter- und Bauern-Staat strich 1982 das Streikrecht aus der Verfassung. Die Gründung von Gewerkschaften ist untersagt. Zugelassen ist nur die ACFTU, die sich als Parteiorganisation versteht. Streiks sind zwar nicht verboten, wurden aber bisher nur in Einzelfällen bekannt und so beigelegt, wie es die Mächtigen außer- und innerhalb der Unternehmen für zweckmäßig hielten. Jetzt sollen die Arbeitskämpfe offenbar dazu dienen, höhere Löhne durchzusetzen. Damit will die Regierung Chinas unterentwickelten Binnenkonsum ankurbeln und die Beschäftigten ruhigstellen. Diese leiden unter zunehmender Arbeitsbelastung und unter den steigenden Preisen, vor allem für Lebensmittel. Genau deshalb wollen das Perlflussdelta im Süden und das Jangtsedelta im Osten wegkommen von der einfachen Massenfertigung und sich nach dem Vorbild Hongkongs zu Zentren für Dienstleistungen, Finanzen, Handel und moderne Techniken entwickeln. In beiden Regionen, die als größte Industriezentren der Welt gelten, gibt es seit langem entsprechende Entwicklungspläne. Seit 2007 gilt ein neues Arbeitsrecht, das die 40-Stunden-Woche, Mindestlöhne und Überstundenregelungen festschreibt. Fabriken mit hohen Emissionen, Lärmpegeln oder Gefahrenstoffen werden aus den Städten verdrängt. Die Schließung hunderter einfacher Fertigungsbetriebe in der Exportkrise 2008 kam den Verantwortlichen nicht ungelegen. Gleiches dürfte jetzt für die Protestwelle gelten.“ (FAZ, 10.06.10) Für das Regime ist es eine Gratwanderung: Einerseits will die kommunistische Regierung den sozialen Frieden wahren und mit höheren Löhnen die heimische Nachfrage ankurbeln. Andererseits will Peking aber die Exportindustrie, den Motor des Wirtschaftswunders, nicht durch höhere Lohnkosten abwürgen. … Nur eine starke Gewerkschaft könnte einen Unterschied machen. Doch die Arbeitnehmervertretungen werden von Peking unterdrückt.“ (FTD, 16.06.10) > Seit dem 20.06.10 lässt die chin. Notenbank den Kurs des Renminbi/Yuan in engen Bandbreiten (0,5%?) schwanken, und nimmt die Marktreaktionen – wie schon zwischen 2005 und 2008 als Hinweis auf Korrekturnotwendigkeiten. Die USA erwarten einen Ausgleich der von ihnen geschätzten Unterbewertung des Renminbi um 40%. „Starker Yen blokiert Japans Wirtschaft, Hindernis für Exporte, Notenbank soll – endlich- am Währungsmarkt intervenieren.“…Während die Binnenwirtschaft weiter schrumpft, hat in Japan 2009 und 2010 eine kleine Exportoffensive wieder Hoffnungen auf einen grundsätzlichen Wechsel geweckt. Doch die seit Mai 2010 begonnene über 10%ige Verteuerung des Yen zu den Konkurrenzwährungen, trifft genau diese Exporthoffnungen. „Doch den japanischen Exportkonzernen könnte das Schlimmste erst noch bevorstehen. Weil das Land trotz der höchsten Staatsverschuldung aller Industrienationen als sicherer Hafen gilt, könnte der Dollar lt. Experten unter den historischen Tiefststand von knapp 80 Yen fallen. So erwarten die Experten von JP Morgan, dass der Dollar bis Ende September erst auf 80 Yen fallen könnte. Zum Ende des Jahres könnte der Yen dann bei einem Rekordhoch angelangt sein. …Eine Intervention der jap. Notenbank erscheint daher immer wahrscheinlicher. (FTD, 17.08.10) …„Außerdem bekommt das Land bislang kaum Rückendeckung von anderen Staaten, was Interventionen weniger Erfolg versprechend erscheinen lässt. Den USA etwa kommt ein niedriger Dollar-Kurs zugute, weil er die Exporte nach Japan verbilligt. Zudem sind Devisenmarkteingriffe unter den sieben führenden Industriestaaten (G-7) verpönt. … Das letzte Mal hatte Japan 2004 am Devisenmarkt interveniert.“ (FTD, 25.08.10) 5.2 Währungsmarkt als globales Preis-Verbundsystem < Bei den sinkenden €-Kursen gegenüber dem Dollar und anderen Währungen bleibt die Gretchenfrage dennoch ungelöst: Liegt es eigentlich an der Stärke des Dollar oder mehr an der Schwäche des Eruro ? „Diverse Währungen haben gegenüber dem Greeback zuletzt an Wert eingebüßt. So legte der US-Dollar-Index allein seit Anfang des Monats (Mai) um rund fünf Punkte zu. Der Indikator stellt den Dollar zu sechs verschiedenen Währungen ins Verhältnis: Euro, jap. Yen, brit. Pfund, kan. Dollar, Schwedische Krone und Schweizer Franken. Die Euro-Schwäche dürfte also auch eine Dollar-Stärke sein.“ (FTD, 21.05.10) Diese „Stärke“ des Dollar liegt nicht in den schlechten Fundamentaldaten des Dollar, sie liegt vor allem in der Seinsfrage für jeden Geldinvestor: Was bleibt, wenn alles andere zusammenfällt? Hier wird in einem nervös gewordenen globalen Weltmarkt nach existenziellen Grundsicherheiten gesucht – und gefunden wird die nach wie vor imperiale Position der USA. Dieser Institution wird grundsätzlich vertraut … wem denn sonst? Die FTD beobachtet am 21.05. die „Weltdevisen im Abwärtssog“ und meint damit natürlich nur: Ein Teil der Weltdevisen befindet sich im Abwärtssog, der andere befindet sich im Aufwärtstrend (Rein technisch geht es ja gar nicht anders!) Die größten Verlierer der letzten Wochen waren der austral. Dollar, der bras. Real, die Währungen Neu-Seelands, Norwegens und vieler Staaten in Mittel- und Osteuropa … und natürlich der Euro. „Auf der anderen Seite legte der jap. Yen kräftig zu: Seit Anfang Mai allein zum australischen Dollar um 18,5 % und zum Greenback um 5,5 %. Das könnte darauf deuten, dass Investoren auch weltweit sog. Carry-Trades abbauen… Außer dem Yen verteuerten sich jüngst auch die Währungen der USA und Chinas. Gegenüber den sechs wichtigsten Handelspartnern der Amerikaner legte der Greenback seit Monatsanfang schon 5,1 % zu. Gleichzeitig gewann in vielen Ländern auch Chinas Renminbi, den die VR seit Mitte 2008 zu einem festen Wechselkurs an die US-Währung gebunden hat. Zum Euro machte das Plus seit >Monatsanfang 6,8% aus und seit Dezember heftige 21,8 %. Mit 8,34 Yuan kostet ein Euro jetzt sogar weniger als nach der Lehmann-Pleite. Chinas Exporte in den Euro-Raum werden leiden, m3einen BNP-Experten.“ Durch die Euro-Krise ist plötzlich nicht mehr so klar, dass der Übergang zu einem multilateralen Währungssystem reibungslos verlaufen wird. In den Zentralbanken in Asien und im Nahen Osten, die über große Euro-Reserven verfügen, macht sich zunehmend nervosität um das politische Umfeld des Euro breit. Das hohe Haushaltsdefizit der USA und die anhaltende Ungewissheit über die Entwicklung der US-Finanzmärkte bedeuten, dass auch der Dollar potenziell gefährdet ist.“ … Nach einem Überblick über die Entwicklungen der verschiedenen wichtigen Währungen seit den 60er Jahren kommt H. James zu einem aktuellen Schuss: …„Die Lektionen aus den 60er Jahren deuten darauf hin, dass der Renminbi rasch zu einer wichtigen internationalen Reservewährung werden könnte, sobald er vollständig konvertibel ist. Die Attraktivität dieser Währung bestünde nicht nur darin, dass die chin. Zentralbank und chin. Finanzinstitute über enorme ausländische Vermögenswerte verfügen. Sie wäre attraktiv, weil China Waren produziert, die Verbraucher auf der ganzen Welt weiterhin stark nachfragen….Als Lieferant einer Reservewährung müsste China nicht weiterhin selbst internationale Devisen anhäufen – ein Faktor, der in den letzten Jahren erheblich zur weltweiten Instabilität im Finanzwesen beigetragen hat. Der Renminbi als mögliche Reservewährung würde die lahmen Enten von heute aus ihrer >Schicksalsgemeinschaft befreien.“ 5.3
Unsicherheiten über die internationale Geldverfassung 5.4 Probleme
der Euro-Zone
< „Wenn Europas Staaten die Euro-Zone erhalten wollen, müssen sie einen Teil ihrer Hauhaltskompetenz nach Brüssel abgeben. Nur so lassen sich große Schocks künftig abfedern“ „Der Ökonom Milton Friedman hat einmal gesagt, dass eine gemeinsame Währung nicht ohne eine starke wirtschaftliche und politische Union aufrechterhalten werden könne. Damit meinte er eine offene Wirtschaft mit freiem Verkehr von Waren, Arbeit und Kapital sowie einer disziplinierten zentralen Haushaltsbehörde und einer starken Zentralbank. Die beiden letzteren Institutionen fungieren dabei als Säulen einer starken Währung und arbeiten zusammen. Aber die anderen Faktoren sind nicht weniger wichtig. Die Euro-Zone verfügt zwar über eine starke und unabhängige Zentralbank, ist aber haushaltspolitisch fragmentiert und nur zum Teil politisch integriert. Der Vertrag von Maastricht war eigentlich dazu gedacht, Haushaltsdefizite und Schuldenstände zu begrenzen und eine Situation wie derzeit in Griechenland zu vermeiden. Das hat aber nicht funktioniert. In einer stabilen Welt könnte ein regelbasiertes Rahmenwerk wie der Maastricht-Vertrag funktionieren, sofern man sich daran hält. Aber in einer schockanfälligen Welt ist ein solches System zerbrechlich, weil es allenfalls eine mäßig antizyklische Politik zulässt. Es ist also kein Wunder, dass die im Vertrag festgelegten strikten Grenzen schon bald verletzt wurden – von den Staaten der Euro-Peripherie, aber auch von den Kernländern. Bei einem großen Schock werden diese Grenzen automatisch gerissen, da die Steuereinnahmen schrumpfen und die Sozialausgaben steigen. Diese Art eingebauter Antizyklik ist an sich nicht schlecht. Wenn damit aber haushaltspolitische Stabilität und ein übermäßiges Staatsschuldenrisiko nach einem großen Schock verbunden sind, war der Ausgangspunkt nicht konservativ genug angesetzt – mit anderen Worten: Die Defizite oder Schuldenniveaus (oder beides) waren schon vor dem Schock zu hoch. Antizyklik heißt nicht, in guten Zeiten mäßige und bei massiven Abschwüngen riesige Defizite aufzuweisen. Das unmittelbare Problem der Eurozone besteht in der schwindenden haushaltspolitischen Stabilität einiger Länder, deren Kreditwürdigkeit sinkt, aber deren Kosten der Schuldentilgung steigen. Selbst mit externer Hilfe wird eine Umschuldung Griechenlands nahezu als Gewissheit angesehen, weil die Arithmetik einer Wiederherstellung der haushaltspolitischen Ordnung so ausweglos erscheint. Die Mitgliedschaft in der Euro-Zone schließt Inflation und Abwertung als Anpassungsmechanismen aus. Eine Alternative ist die Binnendeflation kombiniert mit einer extremen Haushaltsstraffung – aber das ist schmerzvoll und kann aus politischen Gründen nicht angestrebt werden. Warum ist ein bundesstaatliches System dennoch nicht so fragil wie die Euro-Zone? Weil es zwei Sicherheitsventile gibt. Eines ist die Möglichkeit der Bundesregierung, selbst Defizite zu machen und entschlossen zu handeln. Das andere ist die Mobilität der Arbeitskräfte. Der EU fehlt eine robuste zentrale fiskalische Institution mit einem antizyklischen Mandat. Und die Mobilität der Arbeitskräfte – ein Langzeitziel der EU - wird durch unterschiedliche Sprachen. Gesetze und Regulierungssysteme beschränkt. Hinzu kommt, dass Staatsanleihen in der Euro-Zone nicht als gleichwertig behandelt werden und die Märkte verschwenderische Staaten bestrafen. Wenn die EU eine Währungsunion möchte, in der Staatsschulden hinsichtlich des Risikos relativ homogen sind, muss die Haushaltsdisziplin ähnlich homogen gestaltet sein. Das heißt auch, dass es eines robusteren Mechanismus für antizyklische Reaktionen auf Schocks bedarf. Wenn die Führungsspitzen der EU sich demnächst wieder mit den Maastricht-Kriterien beschäftigen, könnten sie die Regeln so ändern, dass sie eine zeitweilig größere Flexibilität auf nationaler Ebene erlauben. Allerdings wäre dieser Ansatz kompliziert. Die Fiskalpolitik müsste systematisch überwacht werden, damit sich die derzeitige Situation nicht wiederholt. Eine bessere langfristige Lösung wäre eine zentrale fiskalische Instanz, in der die nötigen Ressourcen gebündelt werden, um auf Schocks in unterschiedlichen Phasen des Wachtumszyklus zu reagieren – etwa durch eine Stabilisierungssteuer, die im Falle eines Abschwunges negativ würde. Allerdings bedarf ein solcher Schritt einer gewissen haushaltspolitischen Zentralisierung. Und möglicherweise müsste die EU dazu auch Staatsschuldtitel ausgeben können. Es ist unklar, ob der politische Wille dazu besteht. Als die Euro-Zone geschaffen wurde, war klar, dass Haushaltsdisziplin eine entscheidende Grundlage dafür sein würde. Die aktuelle Krise führt uns das lebhaft vor Augen. Die Herausforderung besteht nun darin, eine Kombination aus Disziplin und Flexibilität zu schaffen, die das gemeinsame Interesse schützt. Damit ist zwar ein Verlust der fiskalischen Souveränität verbunden, aber es ist nötig, sich der Realität zu stellen, um die Währungsunion zu erhalten.“ 5.4.1
Europa braucht eine Bailout-Regel
(s. Krisengesamtreport bis April 2010) - Die Einzelmaßnahmen sind (vorläufiger Stand) :a) 60 Mrd. € Kreditvolumen zur Verfügung der EU-Kommission e) Ein gesetzlicher Stabilitätsbeitrag der Banken soll eingezogen werden. 5.4.3 Kritik
der „Lösungsvariante“ der EU/Euro-Zone b) Die erleichterte Möglichkeit an weitere Kredite für Umschuldungen heranzukommen verringert den Handlungsdruck für die Regierungen der Risikostaaten und verschiebt damit faktisch Ent- oder Teilentschuldungsprogramme in eine fernere Zukunft. Die Schuldengesamtaufnahme wird vergrößert. c) Die parallel zugesagten Sparauflagen im jeweiligen nationalen Rahmen scheinen allein rezessive Folgen zu haben. Eine stabile Haushaltskonsolidierung lässt sich mit derartig drakonischen Maßnahmen nicht erreichen. Die Regierungen und die Institutionen der EU machen sich völlig unglaubwürdig und lassen in den Augen der betroffenen nicht-vermögenden Bürger jede soziale Ausgeglichenheit der Maßnahmen vermissen. d) Die einschränkenden Regelungen der Art. 123 bis 133 AEUV sind insbes. für die EZB überschritten worden. Das EU-Vertragsmuster muss unbedingt nachgebessert werden, um die vollständige Gültigkeit der zentralen Rechtssetzungen garantieren zu können. e) Die EZB handelt jetzt wie alle anderen Währungsbanken auch mit dem vollen Programm aller nur denkbaren Instrumente. Bisher sind jedoch alle quantitativen Beschränkungen für die Teilprogramme noch ungewiss. Hier müssen sehr schnell die notwendigen Obergrenzen festgelegt werden. (Ob die Politik dazu in der Lage ist, oder ob sich die europäischen Staaten und Bürger allein – wie im AEUV vorgesehen – auf die EZB verlassen müssen, ist z.Zt. völlig unklar. Der AEUV kennt die neue EZB nicht, und er regelt auch nicht, wer die neuen Möglichkeiten der EZB quantitativ beschränken darf!!) f) Es ist zwar der bürokratisch-enge Rechtsrahmen des AEUV verlassen worden, doch diesem Schritt folgt keine entschlossene Neuorientierung auf einen Europäischen Bundesstaat. Alle Teilschritte auf diesem Weg sind ggfs. nötig und sinnvoll, aber nur, wenn die Bürger Europas das Ziel kennen. g) Ohne zentrale Zuständigkeiten mindestens für die Bereiche Finanz- Währungs- und Haushaltspolitik ist eine solide Gemeinschaftswährung nicht machbar. Wenn die Staaten daher die gemeinsame Währung wollen, dann sollten sie sich auch zu dem politischen Ziel eines Europäischen Bundesstaates bekennen. Wer sich zu diesem Ziel nicht bekennen kann, der sollte – zusammen mit den Partnern in der EU – aus dem Euro-Verbund ausscheiden. h) Deutschland und Frankreich sollten sich an dieser Stelle schnell vergewissern, dass sie den Euro wollen. Wenn nicht, sollte der Währungsverbund grundsätzlich überdacht werden. i) Meinung: Das schlechte Management der Krise in Europa … „Nur spiegelt der Euro ja nicht nur Griechenlands (Schulden). Im Schnitt liegt das Staatsdefizit im Euro-Raum 2010 niedriger als bei Briten und Amwerikanern. In Japan stieg die Gesamtschuldenquote schon vor der Krise gar um 40 Prozentpunkte. Da wirken selbsz die Griechen fast wie schwäbische Hausfrauen. Inflation? Gleicher Befund. Die Euro-Zone steht besser da – aktuell und seit 1999. Das mag noch nicht heißen, dass alles prima ist. Nur bewegt sich ein Währungskurs ja in Relation zu anderen. Und: Wenn es nur nach Schulden ginge, gäbe es keinen Grund, den Euro abzuschießen. Wenn der Kurs bei (relativ) höherer Stabilität fällt, kann das dann logisch nicht an den (vergleichsweise gar nicht so) hohen Schulden liegen. … Vieles spricht dafür, dass die Finanzmärkte derzeit weniger die Staatsdefizite der Euro-Länder bewerten. Die sind anderswo höher. Eher die mangelnde Fähigkeit der Euro-Regierenden, in der Krise als Einheit zu man agen. Da hilft es auch nichts, sich jetzt gegenseitig Verbote und Sanktionen anzudrohen. Im Gegenteil.“ 5.4.4
Fortführung der „Spekulation“ gegen den Euro 5.4.5 „Wir
verteidigen den Euro um jeden Preis“ - Seit Ende April ahnt und seit der ersten Maiwoche weiß die ganze Welt, dass der Euro ökonomisch, institutionell und politisch nicht hinreichend untersetzt ist, um als alltagstaugliche Währung für einen der größten regionalen Wirtschaftsräume der Erde auszureichen. Dazu wurde der Art. 122 bis über alle Grenzen
hinaus gedehnt: „(1) Der Rat kann auf Vorschlag der Kommission
unbeschadet der sonstigen in den Verträgen vorgesehenen Verfahren im
Geiste der Solidarität zwischen den Mitgliedsstaaten über die der
Wirtschaftslage angemessenen Maßnahmen beschließen, insbesondere falls
gravierende Schwierigkeiten in der Versorgung mit bestimmten Waren, vor
allem im Energiebereich, auftreten. (2) Ist ein Mitgliedsstaat aufgrund von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Ereignissen, die sich seiner Kontrolle entziehen, von Schwierigkeiten betroffen oder von gravierenden Schwierigkeiten ernstlich bedroht, so kann der Rat auf Vorschlag der Kommission beschließen, dem betreffenden Mitgliedstaat unter bestimmten Bedingungen einen finanziellen Beistand der Union zu gewähren. Der Präsident des Rates unterrichtet das Europäische Parlament über den Beschluss.“ Nur an dieser Stelle gab es wenigstens einen kleinen rechtlichen Anknüpfungspunkt, um dem aktuell notleidenden Euro ein Korsett zu verpassen. - Da die Priorität der Aufgabenstellung aus Art. 127 (1) und (2) für die EZB seit dem ersten Mai Wochenende jetzt durch die neue Priorität „Erhalt der EZB“ überlagert wird, ist es nicht unwahrscheinlich, dass sich die EZB tatsächlich – mit der gehörigen politischen Rückendeckung durch den Rat – hier auf als notwendig erachtetes Neuland vorwagen könnte. Die Probleme mit dem AEUV müssen aber noch „befriedigend“ gelöst werden, damit alle Mitgliedsländer die jeweils notwendigen Klarstellungen ihrer verfassungsgemäßen oder zumindest gesetzlichen Rahmwerke vornehmen können. Hier sind ggfs allein die absehbaren Probleme mit dem deutschen Verfassungsgericht nicht nur „politisch“ zu lösen. Die Massivität der bereitgestellten Geldvolumina wird dem Euro eine Atempause gewähren. Wenn die EZB das erwartete Neuland betritt, dann wird es für alle Inhaber von Schuldtiteln eines Euro-Landes einen Krisengrund mehr geben, denn es würde dann ja immer einen Aufkäufer geben, der für „Ruhe“ an der Währungsfront sorgt. Die guten Vorbilder in den USDA, in GB und in Japan zeigen ja, dass die Spekulation weggarantiert werden kann – zumindest für eine gehörige Zeit! - Diese Notreaktion der EU zeigt aber auch, dass die Währungsstabilität und die Nennwert-Garantie für alle Euro-Schuldtitel eine außerordentlich hohe politische Priorität besitzen. Ich gehe daher davon aus, dass sich die EU jetzt auf den langen beschwerlichen Weg gemacht hat, die politischen Notwendigkeiten des weit voraus laufenden Euro-Projektes nachträglich zu schaffen. Am Anfang sollte eigentlich ein Stückchen politischer Programmatik stehen, doch vielleicht geht es auch umgekehrt. „Die jetzt gefundene Lösung der Euro-Krise besteht (im Kern) aus einem eigenen Schuldenfonds der EU (also der bisher abgelehnten gemeinsamen Anleihe der Euro-Länder), einer Kreditlinie, die von den noch kreditwürdigen Staaten garantiert wird, einer Extrafazilität des IWF und vor allem aus der kooperationsbereiten EZB, die auf dem Sekundärmarkt alle Anleihen billig aufkauft. All das dürfte dieses (aktuelle Euro-)Problem tatsächlich zunächst entschärfen, aber es wird damit nicht verschwinden. Zumal das ganze Programm von einer restriktiven Sparpolitik in den Ländern begleitet sein wird, denen der Zugang zum Kapitalmarkt durch hohe „spreads“ weitgehend versperrt ist. In der Summe vertieft es das Nachfrageproblem für Europa und die Welt – und damit die Wirtschaftskrise. Anders ausgedrückt: Um eine Pleite zu vermeiden, wird mitten in der Krise rigoros gespart. Das kann so nicht gut gehen. > Besser eine geordnete Umschuldung „Man kann nur hoffen, dass die Proteste in Athen, Thessaloniki und Patras so heftig werden, Dass die griechische Regierung mit der Erklärung ihrer Zahlungsunfähigkeit nicht weiter wartet. Wir wissen nicht, wie ernsthaft sie diese Krise erwogen oder gar als Druckmittel in die Verhandlungen mit den Euro-Partnern eingebracht hat. Auch jetzt bleibt ihr noch diese Möglichkeit. Um das zu riskieren, muss eine Regierung die Lage als sehr aussichtslos einschätzen. Ein geordneter, von der EU oder der Gruppe der Euro-Länder veranstalteter Umschuldungsplan wäre ebenfalls ein Default, aber weit besser. An den Finanzmärkten wird dieses Szenario längst gespielt und – wieder verniedlicht – als „haircut“ angepriesen. Wenn man es macht, sollte es sich lohnen. Argentinien hat 2002 rund 70 % der Schulden gestrichen. Die Hälfte dessen müsste es in Europa schon sein. Und den Schuldenschnitt auf Griechenland zu beschränken wäre auch kurzsichtig. Es gibt zwei Gründe, warum eine solche Lösung so lange wie möglich vermieden wird: Erstens schadet sie den Banken, den Versicherungen und den Sparern. Diese drei Gruppen vor dem Finanzdesaster zu bewahren ist aber höchstes Regierungsziel. Zweitens dürfte US-Präsident B.Obama Merkel und Sarkozy in seinen jüngsten Telefonaten nachdrücklich gebeten haben, von einem Schuldenschnitt Abstand zu nehmen.“ Lucas Zeise, FTD, 11.05.10 „Der Euro hat über Nacht einen der rasantesten Kurseinbrüche seiner Geschichte hinnehmen müssen. Gerüchte, China werde wegen der Schuldenkrise sein Geld aus Europa abziehen, hatten den Kurs der Devise nahezu auf ein Vierjahrestief rauschen lassen. Jetzt hat China den Europäern Hilfe zugesagt – und die Bö rse reagiert. Die chin. Zentralbank hat Europa ihre Unterstützung bei der Lösung der Schuldenkrise zugesagt. Europa bleibe für China einer der wichtigsten Märkte für Investitionen, teilte die Notenbank mit. … China hat schätzungsweise 515 Mrd. € in Wertopapieren der Euro-Zone investiert.“ a) Michael Spence, Nobelpreiträger für Ökonomie, emerit. Prof. der Stanford University in einem Artikel zu „Das Ende der Souveränität, Wenn Europas Staaten die Euro-Zone erhalten wollen, müssen sie einen Teil ihrer Haushaltskompetenz nach Brüssel abgeben. Nur so lassen sich große Schocks künftig abfedern“ FTD, 20.05.10) b) Thomas Fricke, Chefökonom der FTD im Artikel vom 21.05.10: „Deutschland verbietet die Krise. Die Bundesregierung möchte unsere Schuldenbremse am liebsten in der ganzen Welt zwangseinführen. Dabei ist es eher zweifelhaft, ob das die Euro-Krise löst. Dringender wäre eine Euro-Wirtschaftspolitik. … Vieles spricht dafür, dass die Finanzmärkte derzeit weniger die Staatsdefizite der Euro-Zone bewerten. Die sind anderswo höher. Eher die mangelnde Fähigkeit der Euro-Regierenden, in der Krise als Einheit zu managen. Dann hilft es auch nichts, sich jetzt gegenseitig Verbote und Sanktionen anzudrohen. Im Gegenteil.“ c) Wolfgang Münchau leitet den Informationsdienst Eurointelligence.com, schreibt in der FTD vom 26.05.10: „Kleinstaaterei in der Krise. Was die Nationalstaaten und die EU jetzt eigentlich tun müssten – und warum es nicht dazu kommen wird. “… Die meisten Fachleute, die sich mit der Europäischen Währungsunion beschäftigt haben, kamen längst zu dem Schluss, dass eine gemeinsame Wirtschaftsregierung notwendig ist: Irgendwann würde die Schönwetterkonstruktion einer sich selbst regulierenden Fiskalpolitik zerbrechen. Kaum einer rechnete damit, dass dieser Moment so früh eintreten würde, aber die Krise lässt uns jetzt keine andere Wahl. … Aber – von allen guten Vorschlägen (gemeinsame europäische Staatsanleihe, Zentralisierung der nationalen Kompetenzen für eine Strukturreform und eine Außenvertretung für das Euro-Management, …)wird nichts kommen. … Ich glaube, dass es in den nächsten Jahren zum Knall kommen wird. Und im Zeitalter der Globalisierung wäre die europäische Kleinstaaterei wieder da.“ d) Peter Ehrlich, Leiter des Brüsseler Büros der FTD schreibt am 10.06.10 über „Europa auf dünnem Eis“: …Die EU hat ein grundsätzlicheres Problem als die Strukturschwächen in einigen Mitgliedsländern: Ihre politische Entscheidungsstruktur ist für gute Zeiten gemacht und nicht für extreme Krisen. Das könnte eine klare politische Führung ausgleichen. Aber die gibt es nicht.“ (Nach Ausführungen über die zentrale politische Achse Paris-Berlin wird das Widersprüchliche in den deutschen und französischen Konzepten und zwischen der Führungsfiguren Oberlehrerin Merkel und Schauspieler Sarkozy dargestellt. Dazu noch ein Ausblick auf die Aktionsfelder von Barroso und Rompuy, die sich eher in einem Konkurrenzkampf zu befinden scheinen.) „Kein Wunder also, dass sich die Grundsatzdiskussionen im Kreise drehen. So ist die Frage, ob eine Wirtschaftsregierung aus 27 oder 16 Mitgliedern besteht, falsch gestellt. Staats- und Regierungschefs, die sich einmal im Monat treffen, sind keine Regierung. Für die Koordination und Überwachung der Wirtschaftspolitik ist die Kommission zuständig. Was macht die EU /jedoch), wenn die internationale Krise weitergeht und eine Entscheidung für den Euro erzwi ngt? Wer entscheidet, wenn es am Ende darum gehen nsollte, die Euro-Zone zu teilen oder zu einer echten wirtschaftlichen und politischen Union zu machen, wie es Wolfgang Clement und Friedrich Merz gerade vorgeschlagen haben? Wer stellt den Bürgern die Frage, ob der Rhein Europa wieder trennen soll?“ (Im Weiteren stellt der Autor einige Argumente für ein „geheimes, inoffizielles Direktorium“ vor, das aus Merkel, Sarkozy, Barroso, Rumpuy, Juncker, Jerzy Buzek oder Donald Tusk, Cameron und je einem Vertreter Nord- und Südeuropas bestehen sollte.) 5.5
Möglichkeiten für eine neue Geldordnung? Mark Joob, Prof. an der ungar. Uni Sopron und Forschungsstipendiat der Mercator Stiftung, Schweiz, FTD, 04.06.10 „Der Rat der EZB hat kürzlich entschieden, zusammen mit den nationalen Zentralbanken auf dem Sekundärmarkt Staatsanleihen aufzukaufen und so einen Beitrag zu dem durch die EU-Spitzenpolitiker geschnürten Stabilitätspaket zu leisten. Damit umgehen die Zentralbanken das im EU-Vertrag festgeschriebene Verbot, das sich lediglich auf den „unmittelbaren Erwerb“ von staatlichen Schuldtiteln bezieht. Wird der Kauf von Staatsanleihen durch Zentralbanken jedoch zu einer allgemeinen Praxis, spielt es keine Rolle mehr, ob er direkt bei der Emission oder indirekt auf dem Sekundärmarkt erfolgt, weil dann die Regierungen und anderen Marktakteure mit diesem Eingriff im Voraus rechnen können. Zu Recht wird deswegen das neue Verhalten der EZB als geldpolitischer Dammbruch empfunden. Die Staatshaushalte werden durch die Zentralbanken kofinanziert. Das lässt Zweifel an deren geldpolitischer Unabhängigkeit aufkommen. … Es geht die Angst um, Regierungen könnten versucht sein, ihre Schulden durch Geldvermehrung und Inflation zu senken. Spätestens seit der jüngsten Finanzkrise dürfte aber bekannt sein, das in der gegenwärtigen Geldordnung weniger die Geldpolitik der Zentralbanken, sondern eher die exzessive Kreditvergabe von Geschäftsbanken schuld an einer schwer kontrollierbaren und äußerst riskanten Geldvermehrung ist. Geschäftsbanken haben bekanntlich eine schier unbegrenzte Möglichkeit, auf dem Wege der Kreditvergabe neues Geld zu schaffen, für das sie von den Schuldnern Zinsen verlangen können: Das wirklich große Geschäft der Banken besteht nämlich nicht darin die bei ihnen deponierten Kundengelder als Kredite zu vergeben und so eine Zinsdifferenz zu kassieren, sondern darin, neu geschaffenes Geld ohne Deckung auszuleihen und den ganzen Zins einzustreichen. Die
Gewinnmaschine der Banken Geschäftsbanken haben heute ein Recht zur Geldschöpfung und emittieren rund 95 % des neu geschaffenen Geldes, die restlichen 5 % werden durch die Zentralbanken in Form von Münzen und Banknoten emittiert. Mit einer exzessiven Kreditvergabe können die Geschäftsbanken ihre Profite in die Höhe treiben – zumindest so lange, bis die Schuldner nicht pleitegehen, sonst folgt der Krach. Tritt dieser Fall, wie im jüngsten Fall, in Form einer systeminduzierten Finanzkrise ein, wird am Finanzsystem ein wenig geflickt: Banken werden gestützt, strengere Spielregeln erlassen. Will man das Problem wirklich an der Wurzel packen, müsste man allerdings nicht marode Banken verstaatlichen, sondern die Geldschöpfung – oder genauer formuliert: das staatliche Monopol der Geldschöpfung (wieder-)herstellen. Damit würde der kaum kontrollierbaren Geldvermehrungspraxis der Geschäftsbanken ein Ende gesetzt. …ein
staatliches Geldschöpfungsmonopol? Die Entscheidung der EZB, Staatsanleihen aufzukaufen, kann nun als erster Schritt auf dem Weg zu einer neuen Geldordnung mit staatlichem Geldschöpfungsmonopol verstanden werden. Genauso wie das staatliche Gewaltmonopol im Dienst der Gerechtigkeit steht, würde das staatliche Geldschöpfungsmonopol im Dienst des Gemeinwohls stehen, indem der – bisher größtenteils den Geschäftsbanken vorbehaltene – Gewinn aus der Geldemission zur Finanzierung von Staatsausgaben oder etwa zur Tilgung von Staatsschulden verwendet werden könnte. Joseph Huber und James Robertson haben in ihrer sog. Vollgeldtheorie die Vorteile einer Geldschöpfung in öffentlicher Hand und die dazu erforderlichen konkreten Reformschritte überzeugend dargelegt. Die Vollgeldtheorie sieht vor, dass neues Geld durch Gutschrift auf dem Konto eines Staates bei der entsprechenden Zentralbank emittiert wird, dass dem Staat auf diese Weise – in Form eines unbefristeten Darlehens – zinslos Geld zur Verfügung gestellt wird, das er durch die Tätigung von Ausgaben in Umlauf bringt. Die aus dem vorgeschlagenen Geldschöpfungsmonopol zu erwartenden Einnahmen werden für die Euro-Zone auf jährlich 400 Mrd. € beziffert. Geschäftsbanken könnten nach der Reform nur noch aus ihrem tatsächlich vorhandenen Geldbestand Kredite vergeben, was eine hundertprozentige Deckung der Bankguthaben bedeutet. (Eine solche hundertprozentige Deckung von Bankguthaben wurde schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts von prominenten Wirtschaftswissenschaftlern wie Irving Fisher und Milton Friedman gefordert.) Schon hieraus ist die Überlegenheit der von der Vollgeldtheorie vorgesehenen Geldordnung gegenüber dem heutigen System in Hinsicht auf ihre Stabilität klar ersichtlich: Die neue Geldordnung wäre weit weniger anfällig für spekulative Blasen und darauf folgende Krisen. Die Gefahr einer übermäßigen Inflation als Folge einer Instrumentalisierung der Zentralbanken durch die Regierungen müsste auch in einem Vollgeldsystem dadurch gebannt werden, dass den Zentralbanken bei der Regulierung der Geldmenge vollkommene Unabhängigkeit garantiert wird. Das neue Vorgehen der EZB ist nicht deshalb problematisch, weil es aus der Sicht der gängigen Lehrbücher einen Regelbruch darstellt, sondern nur, weil es an der Unabhängigkeit der EZB ernsthaft zweifeln lässt. Eine Reform unserer Geldordnung in Richtung eines Vollgeldsystems könnte uns einer dauerhaften und gerechten Lösung der komplexen wirtschafts- und finanzpolitischen Probleme näher bringen, ohne die Unabhängigkeit der Zentralbanken zu beeinträchtigen.“
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