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Lieber
Fun-Gesellschaft "Make love - not war"
und "Sieg im Volkskrieg" sind die beiden Parolen, die
die Faktoren beschreiben können, die die bislang einzige eindeutige
Niederlage
der USA in ihrer Geschichte verursacht haben, die Niederlage
gegenüber einem zu allen Opfern entschlossenen Bauernvolk, den
Vietnamesen. Hätten die US-Eliten von Kennedy bis Nixon die
geschichtlichen Erfahrungen ihrer eigenen Nation beherzigt, hätten
sie die mehr als 50 000 eigenen und die ca. 3 Millionen Toten der drei
indochinesischen Völker vermeiden können. Für die amerikanische Revolution
war neben dem Unabhängigkeits- und Freiheitsstreben das Glücksversprechen
konstitutiv. In diesem "pursuit of happiness" ist der
von den Hippies geprägte Imperativ schon angelegt und der
Kampf der "Militias" gegen die britischen Kolonialtruppen
implizierte bereits die Durchschlagskraft der erst durch Mao
Tse-tung popularisierten Guerillaformel. Die amerikanischen und
europäischen Antiautoritären der späten 60er begriffen die
Sinnhaftigkeit beider Parolen intuitiv und verkündeten sie praktisch
nebeneinander, obwohl sie sich vom Wortlaut her scheinbar
widersprachen. "Make love - not war"
wies auf einen weiteren wichtigen Aspekt hin, auf den Widerspruch von privat
und politisch. Die geforderte Aufhebung dieses Widerspruchs
untergrub autoritäre Machtvorstellungen, insbesondere zeigte sich
darin bereits die bislang nicht gelöste Problematik des Patriarchalischen
in der modernen Gesellschaft. Letztendlich zeigte sich die Subversivität
der unter diesem Slogan sich konstituierenden (weltweiten) Bewegung:
Mitten im Herzen wurde der "Bestie" die ideologische und
damit schließlich auch die politische und materielle Grundlage
entzogen, der "imperialistische Papiertiger" (Lin
Biao) musste seinen Schwanz (!) einziehen. Fortan litten die USA an einem "Vietnamtrauma",
das ihre Außenpolitik angeblich immobil und unflexibel machte. Es
trat tatsächlich eine vorübergehende Zurückhaltung bezüglich
kriegerischer Eskapaden im Ausland ein, wenn wir von Grenada, Panama
und dem Iran-Contraskandal einmal absehen wollen. Erst mit dem
sog. zweiten Golfkrieg unter Bush Sr. und Clintons Kosovokrieg gelang
der "neokonservativen Kriegspartei" (Pat Buchanan)
der Ausbruch aus diesem "Trauma". Aggressive Politik nach außen ist in
der Regel nicht ohne Repression im Inneren zu haben. Die in den 60ern
erkämpfte Förderung von Minderheiten ("affirmative
action"), die Legalisierung von Abtreibungen, die
Informationsfreiheit etc. werden zurückgedrängt. Religiöse
Fundamentalisten ("Moral Majority") gewinnen zunehmend
Einfluss auf Regierung und Gesetzgebung: Bushs manichäische
Rhetorik ist davon gekennzeichnet, wenn er von "Kreuzzügen",
"wer nicht für uns ist - ist gegen uns", "Achse des
Bösen" usw. redet. Der polizeiliche Repressionsapparat wird
gestrafft und ausgebaut. So gerüstet, wird nur noch ein Feind benötigt,
um das alles vor dem Wähler begründen zu können, der möglichst
nicht mehr an die unbearbeiteten Wirtschaftsskandale denken soll. Doch
weit und breit kein Feind in Sicht: Statt "evil empire"
nur noch Terroristen und Schurken. Damit lässt sich allerdings kaum
ein Krieg begründen. Dass es dennoch geht, müssen wir leider derzeit
erleben. Für die Antiautoritären war
bekanntlich das Zusammenleben in Kommunen wichtiger als der
bereits vom Stalinismus verunstaltete Kommunismus. Dem Vietcong
wurde einerseits Solidarität im Kampf um Selbstbestimmung bekundet,
andererseits die Begrenztheit dieses vornehmlich im ökonomisch-politisch-militärischen
Bereich angesiedelten Projekts erkannt. Ging es damals immerhin um emanzipative
Selbstbestimmung hier und da, so kann heute davon keine
Rede mehr sein. Osama und Saddam haben damit absolut
nichts zu tun, sie sind keineswegs als Antiimperialisten zu begreifen,
höchstens als verhinderte Konkurrenten der letzten "Supermacht".
Deshalb muss sich die Kritik heute auf beide Lager, also auf
die "Guten" und die "Bösen" gleichermaßen
beziehen. Das von Toni Negri trefflich
beschriebene "Empire", also die sich von den Nationen
emanzipierende neue Weltordnung, provoziert auf beiden Seiten, im
Zentrum als auch in der Peripherie, ein letztes Aufbäumen. Diese Revolte
gegen das Unvermeidliche drückt sich einerseits aus in dem Ruf
nach der Rückbesinnung auf die religiösen Fundamente, andererseits
in der Geringschätzung von Menschen-, Bürger- und insbesondere
Frauenrechten, sowie hier in demokratische, dort in
antiimperialistische Rhetorik. Der von Negri gesehene "imperialistische
Backlash" spiegelt sich in der US-Administration wider "im
Kampf zweier Linien" (so hätte das Liu Shao Shi genannt), in der
Auseinandersetzung zwischen "Unilateralisten" und "Multilateralisten",
also zwischen UN-Befürwortern und UN-Negierern. Die Europäer,
insbesondere Deutschland und Frankreich, setzen ihre Hoffnung auf den
Trend zum "Empire", um nicht als ewige Vasallen der letzten
im klassischen Sinne imperialistischen Supermacht enden zu müssen. Kurz, das Erbe von 68 heute heißt,
die Profitsucht des wiederauferstandenen Militärindustriellen
Komplexes (MIK) im Verein mit der Ölmafia, die militärisch-geopolitischen
Machtdemonstrationen, die absichtlich ungelösten Konflikte im Nahen
Osten und anderswo, den "brutalst" falschen
Antiimperialismus der "Schurken", als Kriegsursachen zu
denunzieren, die Säkularisierung der Gesellschaften, die Freiheit und
Emanzipation der Individuen, Menschen- und Bürgerrechte allerorten zu
unterstützen, den Kriegs- und Terrormaschinen, dem Fundamentalismus
und Fanatismus die Legitimation zu entziehen. 68 heute heißt, die
konservative Kritik an der sog. "Fun-Gesellschaft"
als Versuch zu entlarven, die junge Generation in die althergebrachte
Verwertungslogik, in die "Leistungsgesellschaft" (Helmuth
Kohl) pressen zu wollen. Die derzeitigen Ergebnisse der neoliberalen
Ära, das zunehmende Auseinanderklaffen zwischen arm und reich, d.h.
auch die politisch produzierte Armut der öffentlichen Hand und die
Konzentration des Reichtums in den Händen einiger Weniger, muss als
das gezeigt werden, was es ist, der Weg in die endgültige
Entsolidarisierung, der Weg ins allgemeine Elend.. Günter Langer
30. Januar 2003 Texte und Links zum Thema: www.members.partisan.net/sds/i-current-clashes.html Eva Quistorps Initiative: www.berlin-declaration.org Weiterer Text des Autors zum Thema: Demokratischer
Kollateralnutzen:
kein Grund für Bushkrieg
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