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"Der
zweite Teil des Skandals"
Offener Brief an Friedman
Die Fraueninitiative Terre des Femmes
kritisiert die "völlige Tabuisierung" der Benutzung
osteuropäischer Prostituierter durch Michel Friedman.
Wir dokumentieren den Brief im
Wortlaut.
Sehr
geehrter Herr Friedman,
wir möchten Ihnen mit diesem offenen Brief mitteilen, dass wir Ihre
öffentliche Entschuldigung und das Eingeständnis, Drogen konsumiert
zu haben, begrüßen. In derartiger Weise von den Medien in die Mangel
genommen zu werden, ist sicher unangenehm für jemanden, der selbst
jahrelang mit erhobenem Zeigefinger auf die Untaten anderer zeigte.
Wir rechnen es Ihnen hoch an, dass Sie Ihren moralischen Maßstab auch
an sich selbst anlegen und die Konsequenzen Ihres Fehltritts tragen.
Was wir allerdings als Frauenrechtsorganisation sehr bedauerlich
finden, ist die inzwischen völlige Tabuisierung des zweiten Teils des
Skandals. Förmlich in den Hintergrund gedrängt wurde, dass
Prominente diskret osteuropäische Prostituierte ordern und sich dazu
auch brutaler Menschenhändlerringe bedienen. Mehr als 50 Prozent
aller Frauen, die in Deutschland "anschaffen", sind
nicht-deutscher Herkunft, hiervon kommen 80 Prozent aus Mittel- und
Osteuropa. Sehr viele von ihnen werden versklavt durch ein System von
Menschenhändlern, die Frauen unter falschen Versprechungen nach
Deutschland schleusen und hier zu Lande zur Prostitution zwingen.
Vergewaltigung, Drohungen und Schläge machen die Frauen "willig",
ihren "Job" als Prostituierte aufzunehmen. Von "freiwillig"
kann in diesen Fällen keineswegs die Rede sein.
Und das, sehr geehrter Herr Friedman, ist der eigentliche Skandal. Sex
mit Prostituierten, die sich illegal oder sogar gegen ihren Willen in
Deutschland aufhalten, ist nicht strafbar. Besteht hier nicht dringend
Handlungsbedarf?
Schon lange setzt sich Terre des Femmes für die Opfer des
internationalen Frauenhandels und der Zwangsprostitution ein. 1999
starteten wir die Kampagne "Männer setzen Zeichen" unter
der Schirmherrschaft Ihres Kollegen Roger Willemsen, um über den
Handel mit Frauen aufzuklären und insbesondere unter den Freiern eine
Sensibilität für das Thema zu schaffen. Denn ohne Freier würde
dieses Geschäft nicht funktionieren. Wir möchten, dass Frauenhandel
stärker bekämpft und den Opfern von Menschenhandel angemessene Hilfe
zuteil wird. Rund eine Million Männer nehmen täglich in Deutschland
den Dienst von Prostituierten in Anspruch. Viele der Frauen verkaufen
sich unfreiwillig. Deshalb fordern wir die Männer dazu auf, sich mit
den Frauen zu solidarisieren und sich gegen Zwangsprostitution und
Menschenhandel auszusprechen.
Sehr geehrter Herr Friedman, wir möchten Sie herzlich dazu einladen,
prominenter Unterstützer unserer Kampagne "Männer setzen
Zeichen" zu werden, um sich gemeinsam mit vielen
Frauenorganisationen und Männergruppen (u.a. Männer gegen Männer-Gewalt)
für ein partnerschaftliches und gleichberechtigtes Geschlechterverhältnis
einzusetzen. Nutzen Sie den Presserummel! Helfen Sie uns bei der Aufklärung
über die Hintergründe des Frauenhandels. Machen Sie sich zum
Sprachrohr der Opfer und fordern Sie ein Bleiberecht für Opfer von
Menschenhandel.
Ein Engagement in diese Richtung wäre eine äußerst lohnende und
befriedigende Sache. Sie wollen bestimmt auch, dass Frauen und Mädchen
selbstbestimmt und frei überall auf dieser Welt leben können. Wir können
gemeinsam was dafür tun.
Mit freundlichen Grüßen
Terre des Femmes
Geschäftsführerin Christa Stolle
17.07.2003
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