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30. Jahrestag
der Befreiung Saigons
Die linke Presse gedenkt:
Stefan Reinicke in der taz (30.4.05): Vergiss
es!
Jörn Schulz in der Jungle World
(27.04.05): Symbol
und Syndrom
Marina Mai (Hanoi) in Jungle World
(27.04.05): Das
Gift des Krieges Rolf Berthold (einst
DDR-Botschafter in Hanoi) in Junge Welt (30.4.05): "Erneuerung"
im Frieden (nicht im Netz) Ho Chi
Minh im Mai 1969: Der Sieg ist unausweichlich (JW 30.4.05, dort nicht
ins Netz gestellt, deshalb der Link zur englischen Version: The
Testament) Jerry Rubin (aus
"Do it" von 1970): Der Vietcong ist überall (JW 30.4.05,
dort nicht ins Netz gestellt. Dafür hier ein anderer Text ebenfalls
aus "Do
it") Lesson
from a Total Defeat for the US: The
End of the Vietnam War, 30 Years Ago
By GABRIEL KOLKO, Amsterdam,
Counterpunch, April 30 / May 1, 2005 Die
Zivilgesellschaft gedenkt: 1)
Vietnam - Ein Land im Transformationsprozess
Wie vollzieht sich der Transformationsprozess? Ökonomisch?
Politisch? Kulturell? Welche generelle Entwicklung gab es nach dem
Krieg? Wie geht man mit der Vergangenheit um? Wie ist die Perspektive
Vietnams zu beschreiben? Welche Rolle spielt das Land in der Region?
Zwischen welchen Mächte steht das Land heute?
Es diskutieren:
Rolf Berthold, ehemaliger Botschafter der DDR in
Vietnam
Dr. Martin Grossheim, Wiss. Mitarbeiter Geschichte
und Gesellschaft Südostasien, HUB
Mirko Herberg, Friedrich-Ebert-Stiftung,
Projektassistent Vietnam
Prof. Dr. Wilfried Lulei, Deutsche-Vietnamesische
Gesellschaft , Berlin
Moderation: Alfred Eichhorn
am 28. April 2005, um 19.30 Uhr in
der Urania Berlin, Einsteinsaal
2)
30 Jahre Ende des Kriegs in Vietnam
Am
29. April fand unter der Schirmherrschaft des Berliner Senators für
Kunst, Flierl, eine Gedenkveranstaltung in der Akademie der Künste
zum 30. Jahrestag der Befreiung Saigons statt. Es wurden zwei Filme
gezeigt:
1.
Phoenix - ein Film des DDR-Teams Heynowski & Scheumann aus dem
Jahre 1979
2.
The Fog of War - ein Film über Robert S. McNamaras Rolle
in den Kriegen der USA
Anschließend
fand eine Podiumsdiskussion statt mit Bernd Greiner, Historiker in
Hamburg und Mitarbeiter im Reemtsma-Institut für Sozialforschung,
Jörn Schütrumpf, Rosa-Luxemburg-Stiftung, Wolf-Dieter Narr, ex-Prof
am OSI und Fred Halliday, London School of Economics, moderiert
von Ekkehart Krippendorf. Greiner (ehemals DKP-nah) verstieg sich zu der Behauptung, nur
die Watergate-Affäre hätte den USA der Sieg gekostet, sonst nichts.
Zwischen Täter und Opfer konnte er auch nicht unterscheiden. General Vo
Nguyen Giap (der Sieger von Dien Bien Phu) und Genossen stellte er
auf eine Stufe mit Nixon und General Curtis LeMay ("Bombt
sie in die Steinzeit zurück"). Nach ihm hatten nicht die
Franzosen, Japaner und US-Amerikaner Vietnam besetzt, sondern
Nordvietnam habe Südvietnam erobern wollen, wo jeder halbwegs
informierte Zeitgenosse weiß, dass sich gerade im Süden die
stärkste Unterstützung für die Vietminh und später für die
Vietcong konzentrierte (Mekong-Delta). Die in Genf 1954 für 1956
ausgehandelten Wahlen hätte Ho Tschi Minh in beiden
Landesteilen haushoch gewonnen. Deswegen zogen sich die Franzosen
zurück und die Amis wollten mit ihrem Eingreifen einen "fallenden
Dominostein" verhindern. McNamara hatte diese Erkenntnis
dem Filmteam ins Mikro und in die Kamera gesprochen ("Die
Vietnamesen kämpfen seit 1000 Jahren um ihre Unabhängigkeit"),
Greiner ignoriert sie schlicht. In dieser Ignoranz liegt auch sein
Unverständnis begründet, weshalb die Vietnamesen erst mehr als zwei
Jahre nach dem Pariser Abkommen (Januar 1973) das Saigoner Regime
gestürzt hatten. Sie waren klug genug, eine Situation abzuwarten, in
der sie die USA nicht zu einem erneuten Angriff provozieren würden.
So konnten sie weitere Verluste für ihre Bevölkerung vermeiden. Schütrumpf redete über die Singebewegung in der DDR und Narr, der
immer noch nicht Hochdeutsch sprechen kann und daher kaum zu verstehen
war, meinte, die damalige Solidarität mit den Befreiungsbewegungen
der Dritten Welt sei falsch gelaufen. Halliday sprach gut Deutsch und
konnte als Einziger die historische Perspektive des Vietnamkrieges
aufzeigen. Hier
ein Exzerpt von "Phoenix" aus freitag.de:
Für
ihren Dokumentarfilm über das Unternehmen "Phoenix" konnten
die Publizisten Walter Heynowski und Gerhard Scheumann (Studio H &
S) 1979 den Amerikaner K.
Barton Osborn interviewen - einen "Agenten" der CIA, wie
er sich selbst nannte, der als Berater für das Phoenix-Programm in Südvietnam
stationiert war. Vier Jahre nach Ende des Vietnam-Krieges erinnerte
sich Osborn an "Befragungen", wie sie seinerzeit in den
Phoenix-Verhörzentren üblich waren. Wir dokumentieren Ausschnitte
der vor 25 Jahren mit ihm geführten Gespräche.
H & S: Könnte man sagen, dass mit dem Phoenix-Programm
in Vietnam der entscheidende Schlag gegen die Infrastruktur des
Vietcong (*) geführt werden sollte - ein kriegsentscheidender
Schlag womöglich?
OSBORN: 1968 wurde die sogenannte Befriedung, die auf Phoenix
aufbaute, zum Schwerpunkt des Krieges. Der offizielle Gründungstag
von Phoenix war im August 1968. Von diesem Zeitpunkt an war es
das Hauptziel, jeden aus der Bevölkerung zu neutralisieren, der
Vietcong-verdächtig war.
Das heißt, was mit dieser Befriedung zusammenhing, führte
zu einer geradezu schrankenlosen Ausweitung der Brutalität und
des Mordes?
Ja, es gibt keinen Zweifel, dass von einem gewissen Zeitpunkt
des Krieges an alle wie Tiere abgeschossen werden konnten.
Der Holzpflock
Wie hat sich diese Geschichte zugetragen, bei dem einem
Gefangenen ein Holzpflock in den Gehörgang getrieben wurde?
In den Vernehmungszentren unserer Marine in Vietnam kam es vor,
ziemlich oft, dass man gewisse Individuen, die meine Agenten uns
gemeldet hatten, weil sie Vietcong-verdächtig waren, festnahm
und in die Zentren brachte, die sich rund um Da Nang (**)
befanden. Ich erinnere mich eines speziellen Falles, wo ich ein
Individuum vorfand, das als verdächtig gemeldet worden war,
beim Vietcong Versorgungsoffizier zu sein. Der Mann wurde
verhaftet, und ich war eingeladen, um der Vernehmung beizuwohnen.
Es war üblich bei den Marines, verschiedene Foltermethoden zu
benutzen ... Und die Methode, auf die Sie sich beziehen, wurde
in Da Nang angewandt, und zwar von einem Team der Abwehr bei der
Marineinfanterie. Sie hatten die Methode, einen Holzpflock
reinzustoßen oder irgendwas anderes aus Holz in Form eines
Bleistifts, direkt ins Ohr des Individuums. Und dann im Verlaufe
der Befragung schlugen sie den Pflock immer weiter und weiter in
das Ohr. Und an einem Punkt wurde eben jemand, der von mir als
Vietcong-verdächtig gemeldet worden war, dabei leider getötet,
beim gewaltsamen Hintreiben des Holzpflocks in seinen Gehörgang,
obwohl es gar nicht die Absicht gewesen sein mag, ihn
umzubringen mit dieser Art Folter.
Waren nun die Männer, die diese Vernehmung durchführten,
erschrocken, als der Gefangene tot war?
Verärgert. Ich denke, das trifft es besser.
Worüber waren sie verärgert?
Sie hatten einfach keinen Erfolg gehabt. Sie meinten wohl auch,
dass man mit Vietnamesen nicht eben zaghaft umzuspringen braucht
und bauten Mist, zumindest dieses Mal - sie hatten nicht die gewünschten
Informationen bekommen.
Wer hat diese Befragung des Gefangenen durchgeführt?
Ein Team, das der Marine unterstand, der Ersten Division. Es war
ein Abwehrteam in diesem speziellen Zentrum. Bei der Vernehmung
waren drei Soldaten der Marine und der Captain anwesend.
Das Feldtelefon
Wie hat man sich die Wirkung des Phoenix-Programms grundsätzlich
vorzustellen?
Das Programm verteilte eine Menge Geld über die CIA-Kanäle an
den vietnamesischen Polizeistaat. Speziell an die südvietnamesischen
Military Special Services, die ein Netz von Vernehmungsstationen
erfolgreich aufgebaut hatten. Jede Provinz hatte ein
Vernehmungscenter. Die Fassaden waren wie die von Schulen. Wie
etwas, das zum Wohl des Volkes gebaut war. Aber sie hatten
Doppelmauern. Hinter der inneren Mauer lagen die
Vernehmungszellen, wo Amerikaner die Vietnamesen beaufsichtigten
und sie lehrten, wie man Vernehmungen führt. Jedes dieser 150
Vernehmungszentren hatte einen amerikanischen Berater. Das war
abgemacht zwischen dem amerikanischen Militär und der CIA. Seit
ungefähr 1967 gab es dort halb und halb militärische und
zivile Berater, und die zivilen kamen von der CIA. Die
Amerikaner waren im wahrsten Sinne die Paten des Ganzen.
Können Sie sich an den praktischen Hergang solcher
Befragungen erinnern?
Was dort passierte, war sehr brutal. Die Südvietnamesen fanden
anscheinend immer wieder eigene Leute, die es buchstäblich
genossen, jemanden, der verhört wurde, bestialisch zu quälen.
Sie gebrauchten Knüppel. Sie haben die Leute fast ersäuft, sie
drückten ihnen die Gurgel ab. Sie hatten einen Haufen
Foltertechniken, die sie offensichtlich an der IPA (***) in
Washington gelernt hatten.
Außer den üblichen Befragungen gab es auch noch das nachts
vorgenommene Verhör, es gab Schlafentzug oder Blendung durch
grelles Lampenlicht, das auf die Verhörten sehr zermürbend
wirkte. In die Nase des Verhörten goss man Wasser, dass er fast
erstickt ist. Wer das nicht aushielt, der sagte aus. Und dann
gab es noch das Auspeitschen.
Hat man auch Strom verwendet?
Ich glaube, das wurde allgemein bekannt zu Anfang der siebziger
Jahre. Zu einer der Praktiken gehörte ein Feldtelefon, ein
elektrisch betriebenes Feldtelefon, und zwar mit zwei Drähten.
Die schloss man an die Genitalien des Individuums, wenn man es
verhörte. Bei Männern wurden sie an den Hoden befestigt und
bei Frauen an den Brustwarzen. Und dann wurde gekurbelt, damit
der Betreffende einen Schlag bekam und alle beim Verhör
gestellten Fragen beantwortete.
Sie haben viele Verhöre und Folterungen mit beobachten können.
Haben Sie die Ergebnisse dieser Folterungen noch im Gedächtnis?
Ich glaube nicht, dass irgend jemand diese Dinge vergessen kann.
Weil ich während der ganzen Zeit, die ich in Vietnam war, und
bei all den Vernehmungen, denen ich beiwohnen konnte, niemanden
sah, der lebend da herauskam.
Der Käfig
Wir haben uns in einem kleinen und erbärmlichen Provinzgefängnis
vorführen lassen, wie dort Frauen mit Hilfe einer Eisenstange
und von Eisenlaschen in hockender Haltung gefesselt gehalten
wurden. Was wollte man mit einer solchen Tortur gegenüber
Frauen erreichen?
Es gab einen Fall, da hatte mir einer meiner Agenten eine Frau
gemeldet, die ihm sehr verdächtig war. Er glaubte, sie sei
Mitglied einer Mannschaft für politische Ausbildung in ihrem
Dorf. Und diese Frau sperrte man dann in eines der Marine-Arrestzentren
bei Da Nang. Mir wurde gesagt, man halte sie dort fest und verhöre
sie in gewissen Abständen. Und wirklich habe ich dort mehrere
Wochen lang diese Frau gesehen. Sie hockte in einem Käfig, der
war schätzungsweise vier mal vier Fuß groß. Und von Tag zu
Tag sah ich sie schwächer und immer schwächer werden. Sie
bekam nichts zu essen, sie bekam kaum Wasser, und sie hatte
nichts, um ihre Notdurft zu verrichten. Das verschlimmerte ihre
Lage natürlich immer mehr. Bis ich eines Tages vorbeiging und
sah, sie war nicht mehr in ihrem Käfig. Und ich fragte den
Vernehmungschef: Was ist denn mit ihr? Er sagte, sie ist tot.
Wie? Gestorben durch Mangel an Nahrung. Sie ist verhungert.
Gab es in diesem Vernehmungszentrum nur einen Käfig dieser
Art oder gab es mehrere?
Jedes der Zentren hatte vier dieser Käfige ...
Alles war ausschließlich in der Regie der US-Marines?
Ja, das ist richtig.
Folter durch elektrischen Strom, Holzpflöcke in den Gehörgang
und physische Folter durch Hunger - wie haben sich Ihrer
Kenntnis nach die Gefolterten gegenüber ihren Befragern
verhalten?
Wenn man bedenkt, wie grauenvoll man sie im Allgemeinen
behandelte, und dass sie fast immer, wenn sie gefoltert wurden,
isoliert waren, dann widerstanden sie dem doch sehr oft - und
zwar jeder Art von Vernehmung. Und wie im Fall dieser Frau, die
regelrecht verhungert ist in diesem Käfig, holte man auch aus
anderen nichts an Informationen heraus. Ich denke, das zentrale
Problem, warum wir, die Amerikaner, in vielen Fällen brutal
waren, entstand durch die totale Frustration und die Unfähigkeit,
das Vertrauen der Vietnamesen zu gewinnen und mit ihnen Kontakt
zu haben. Im Ergebnis hatte man Brutalität und Folter.
(*) In den USA und im Westen gebräuchliche
Bezeichnung für die vietnamesischen Kommunisten bzw. die
Nationale Befreiungsfront (FLN), die in Südvietnam im
bewaffneten Widerstand gegen die US-Besatzungstruppen stand.
(**) damals größter US-Stützpunkt in Südvietnam
(***) Polizeiakademie
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Quelle: http://www.freitag.de/2004/21/04210802.php
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