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Ein Dialog zwischen Rüdiger Brandt, Die Grünen,
und Mariam Notten
, Afghanistan,
über die Kopftuchdebatte

Liebe TIO-Frauen,

als Lehrerin muslimischen Glaubens verfolge ich mit Sorge folgende Entwicklungen:

-         Mädchen, bereits im Alter von 6 Jahren, bekommen das Kopftuch dermaßen fest um den Hals geschnürt, dass die Gefahr besteht, die Durchblutung der Halsschlagader und anderen Blutgefäßen im Kopf zu beeinträchtig (abgesehen von anderen Nebenwirkungen, wie Haarausfall, Ausgrenzung, Behinderung des kindlichen Bewegungsdranges usw.).

-         Auf der anderen Seite nützen die deutschen Beamten die Unentschlossenheit der Karlsruher Richter aus, und entscheiden willkürlich darüber, ob meine kopftuchtragenden Schülerinnen ein Berufspraktikum in einer staatlichen Kita absolvieren dürfen oder nicht (um die afghanische Lehrerin mache ich mir am wenigsten Sorgen. Denn sie ist eine erwachsene Frau, und kann ihre Entscheidung selbst treffen).

-         Und ich verfolge ebenso mit Sorge das Engagement der 70 Profi-Frauen, weil sie naiv und unerfahren sind.

Alle drei oben aufgeführten Entwicklungen finde ich für die Emanzipation der muslimischen Frauen eher schädlich als förderlich:

Wenn Mädchen von Kindesbeinen an,  Jahrzehnte lang von ihren Eltern indoktriniert werden, nur mit Kopftuch eine moralisch anständige Frau zu sein, ist es nicht verwunderlich, dass sich diese Mädchen später als Frau mit allen Mitteln dagegen wehren, das Kopftuch abzulegen und verzichten sogar auf eine Berufsaubildung/- ausübung. Denn keine Frau möchte, als unmoralisch gelten, egal welchen Glaubens.  

Wenn kleine Beamten in den Bezirksämtern kopftuchtragenden Mädchen den Zugang zu einer Berufsausbildung versperren, können wir davon ausgehen, dass wir diesen Mädchen auf ihrem Weg zur Emanzipation keinen Gefallen getan haben.

Denn als Frauen wissen wir (und das ist die ABC der Emanzipation): die ökonomische Unabhängigkeit bildet, die erste Voraussetzung oder gar das Fundament zur Selbstbestimmung einer Frau. Eine Frau ohne Berufsausbildung und ohne eigenes Einkommen ist für immer an den Mann gebunden und von seinem Gnaden abhängig. Das Nichtragen des Kopftuches wird sie auch nicht aus dieser Abhängigkeit befreien.

Auf diese Weise das Kopftuch zu bekämpfen, geht m.E. der Schuss nach hinten los. Wir treiben diese Mädchen erst recht in die „Arme“ der Fundamentalisten und verhindern ihnen die Aussicht, sich eines Tages aus eigener Kraft zu emanzipieren. 

Auf der anderen Seite ( wenn wir ihnen den Zugang zu anderen Institutionen versperren), werden noch mehr fundamentalistischen Schulen, Kitas, Supermärkte usw. geöffnet, um all die kopftuchtragenden Frauen aufzunehmen. Dadurch stärken wir ungewollt die Position derer, die wir eigentlich bekämpfen wollen.

Mein Vorschlag:

Das Tragen des Kopftuches generell in allen Schulen, erst recht in den Grundschulen zu verbieten ( und nicht gegenwärtig während einer Ausbildung oder Ausübung eines Berufes).

Langfristig, wenn diese Generation soweit ist, eine Berufsbildende Schule zu besuchen, kann man den Kopftuch- Verbot auch auf diesen Schulen ausdehnen.

Vorteil: In Deutschland besteht Schulpflicht, auch für Migranten. Wenn das Tragen des Kopftuches bereits in der Grundschule verboten ist,  bleibt einen  muslimischen Vater keine andere Wahl, als seine Tochter ohne Kopftuch in die Schule zu schicken, wenn er weiterhin in Deutschland leben und arbeiten möchte.   

Ein weiterer Vorteil (im Vergleich zum Berufsverbot zum gegenwärtigen Zeitpunkt) besteht darin, dass wir dadurch hoffen können, wenn Mädchen ohne Kopftuch aufwachsen, würden sie über einen stärkeres Selbstbewusstsein verfügen und es bestünde für sie eher die Chance, sich nach dem Schulabschluss dagegen zu wehren, einen Kopftuch zu tragen. Sie werden eher in der Lage sein, selbst zu bestimmen, ob sie nun ihre schulische oder berufliche Ausbildung fortsetzen oder sich für das Kopftuch entscheiden. Aber dazu müssen wir erst eine Generation von Mädchen ohne Kopftuch in die Schule schicken.

Ich schreibe dies aus eigener Erfahrung als Afghanin. 

Mit schwesterlichen Grüßen

Mariam Notten

P.S.

Bitte um Nachsicht für meine Sprachfehler. „Ein Leben ist zu kurz, um Deutsch zu lernen“. Oskar Wilde

 

Ähnlich: Halina Bendkowski


Lieber Rüdiger Brandt!

Heute sagte mir eine afghanische, muslimische Freundin:“ Ich pfeife auf eine Kultur, die die Menschenrechte von Frauen nicht achtet.“

So einfach würde ich es auch gerne mitteilen.

Über Ihre Erregung schon etwas erstaunt, gebe ich Ihnen allerdings in einer Kritik absolut Recht. Sie verbessern meinen verlorenen Kulturkampf : trotz TV in : wegen TV. Das stimmt und tatsächlich hatte ich auch erwogen, beides anzuführen, aber ich fürchtete zuviel auf einmal zu kritisieren und dann unverständlich zu werden.

Ich möchte nur, dass Sie sich über eines Gedanken machen: Wie sichern wir die Kopftuchfreiheit? Der Kopftuchzwang  wird ja schon überall demonstriert. Vielleicht kennen Sie nicht die Mädchen und Frauen, die darüber in absolut unwürdige Verhältnisse getrieben werden und denen mit einer Aktion, wie der von den 70 nicht geholfen ist?

Welche Strategie die beste ist, vermag ich nicht so einfach zu sagen. Aber eins weiß ich, das ganze Dilemma zu verschweigen, arbeitet den rechten Männern und Frauen in die Hände.

Wozu haben wir den Kopf?

 

Freundlichst,

halina.bendkowski@gmx.de

Agentin für Feminismus&Geschlechterdemokratie 

 

Dagegen: Eine "grüne" Position

Liebe Halina Bendkowski,

so kommen wir der Sache ja schon näher. Die BefürworterInnen des Kopftuchverbotes für Lehrerinnen meinen, damit (in sehr merkwürdiger Bündniskonstellation) tatsächlich einen Kampf führen zu können, den sie genau an der Stelle dieses Kleidungsstückes und seiner Funktionalisierungen und ideologischen Aufladungen schon verloren haben.

Auch das Problem der Unverständlichkeit und des Dilemmas ist ja schon richtig angesprochen. Aus dem Dilemma "Klare Grenzen gegen Frauenfeindlichkeit ziehen vs. Instrumentalisierung von "Vater Staat" über Verbotsforderungen" lässt sich nicht aussteigen, indem einfach gehandelt wird, weil sich gerade mal eine machtpolitische Bündniskonstellation ergibt.

In der Mailingliste alxhain@gruene-berlin.de (die auch von Monika gelesen wird, wodurch ich dem Auftrag nachkomme) fiel der Satz der VerbotsbefürworterInnen "Keine Toleranz der Intoleranz!" als wenn die Definition hierfür ein für allemal festliegen würden. Natürlich ist Frauenunterdrückung mit dem Begriff Intoleranz noch viel zu harmlos bezeichnet.
Ist aber das Tragen eines Kopftuches "Intoleranz"? Wenn wir dort anfangen - und Mili Görüs hat hier einen Sieg erzielt der Gesellschaft diese Symboldebatte zu oktroyieren -, was ließe sich dann alles unter "Intoleranz" fassen?

Genau so gut, wie jetzt viele meinen, eine Lehrerin mit Kopftuch würde ihre Lebensüberzeugung den Kindern aufdrücken, könnte ja aus einer anderen Perspektive (nicht meiner) gesagt werden, dass offen schwul oder lesbisch lebende Lehrer oder Lehrerinnen den Kindern ein einseitiges Vorbild geben. Ich könnte mir noch etliche andere Beispiele einfallen lassen, finde aber dieses besonders einprägsam, um verständlich zu machen, dass wir hier nicht in eine Falle tappen dürfen. Ausgrenzungen führen immer zur Stabilisierung des Mainstreams.

Wenn ich tatsächlich anfangen würde nach der Devise "Keine Toleranz der Intoleranz!" im Alltagsleben zu handeln, hieße das dann, dass ich der Burkafrau auf der Kottbusser Straße ein Bein stellen sollte, um sie schmerzhaft über ihr Irrtum aufzuklären, oder dass ich ihrem Sohn, der unmotiviert und ohne mich zu kennen sein Mißfallen mir gegenüber zum Ausdruch bringt, indem er vor mir auf die Straße spuckt, in die Fresse haue?

Weitere Beispiele, in denen die deutsche Mehrheitsgesellschaft ihrer Maxime "Keine Toleranz der Intoleranz!" nachkommt sind ja schon bekannt; der "Erweiterte Landesvorstand" von Bündnis 90/Die Grünen Berlin meint dann dazu: 
"Übereilte Maßnahmen gegen kopftuchtragende Auszubildende und andere Personen sind das Ergebnis von unreflektiertem Aktionismus und gefährden das Zusammenleben von Menschen mit verschiedenen religiösweltanschaulichen Hintergründen. Solche Entscheidungen sind nach ausführlicher Diskussion in der Gesellschaft allein dem Gesetzgeber vorbehalten."
Diese Maßnahmen sind also "übereilt"; der Gesetzgeber dürfe aber solche Maßnahmen ergreifen.
Das finde ich erschreckend, dass in der Hilflosigkeit gegenüber dem radikalen djihadistischen Islamismus plötzlich soviel Vertrauen in den Staat und seine negative Sanktionsgewalt gesetzt wird, ja gleichsam eine ideologische Einheitsfront dieses Staates und seiner Mehrheitsgesellschaft herbei fantasiert wird, wie sie überhaupt nicht besteht und nicht bestehen kann/darf.
Das Bündnis mit rechtskatholischen IdeologInnen wird dann antiklerikal und profeminsitisch umgedeutet - dass ich aufgrund dieser Chuzpe, aus schwarz weiß machen zu wollen, in Wut gerate, ist ganz und gar nicht erstaunlich.

Hier läuft plötzlich einiges schief: in der Hilflosigkeit, gegen "Kopftuchzwang" etwas unternehmen zu wollen, (was nur eines unter vielfältigen Motiven der unterschiedlichsten KopftuchverbieterInnen ist) wird - ohne Not! - der Grundsatz der Gelassenheit in einer pluralistischen Gesellschaft aufgegeben. Ohne Gelassenheit sind wir aber überhaupt nicht in der Lage, die wirklich wichtigen Kämpfe auch zu führen. Wenn wir beim "Kopftuch" bleiben, können wir noch so oft behaupten, wir meinten die "Köpfe" und ihre Ideologien - wir werden sie nicht erreichen.

Mit besten Grüßen
                                    Rüdiger Brandt

Und nochmal Rüdiger Brandt, Die Grünen

Liebe Leute,

mir widerstrebt die weitergeleitete Stellungnahme von Mariam Notten. Da Halina aber wohl versucht hat, sie in Alxhain zu setzen, tue ich das (ein letztes Mal) stellvertretend.

Zum ersten Argument von Mariam Notten: Wenn ihre Aussage "Mädchen, bereits im Alter von 6 Jahren  bekommen das Kopftuch dermaßen fest um den Hals geschnürt, dass die Gefahr besteht, die Durchblutung der Halsschlagader und anderen Blutgefäßen im Kopf zu beeinträchtigen."  stimmt, ist das Körperverletzung und Kindesmisshandlung und muss damit strafrechtlich und vom Jugendamt verhandelt werden. Dass das in der Realität häufig nicht geschieht, weiß ich auch. Weitere Respresionsinstrumente werden daran aber auch nichts verändern.
Mariam Notten schlägt ja eine Ausweitung staatlicher Repression vor und nimmt sogar eine erzwungene Auswanderung der Familien in Kauf (realer wäre sicherlich die Konsequenz, dass die Mädchen dem Hoheitszugriff des deutschen Staates entzogen und in muslimische Heimatländer geschickt werden - wohl heute schon eine nicht seltene Praxis).
Sie kontekariert damit ihre - berechtigterweise kritische - Sicht der "deutschen Beamten". Entweder sie traut ihnen keine ausreichende Urteilskraft zu oder sie gibt ihnen ein weiteres Repressionsinstrument in die Hand.
Im übrigen ist mir nicht wirklich klar, was Mädchen aus den beschriebenen Elternhäusern über die Lehrerinnen ohne Kopftuch denken. Sind das für sie Huren (also keine "moralisch anständige Frau"en?) und damit in jedem Fall abzulehnende Vorbilder?
Ist meine Wahrnehmung auf der Straße so falsch, dass gerade Mädchen mit Kopftüchern neben ihren Freundinnen ohne Kopftücher durch besonders freche Sprache kompensieren, es also eine Kultur des "Kompromisses" gibt, die verschiedene Entwicklungsmöglichkeiten bietet (wenn sie denn ökonomisch-sozial auch tatsächlich angeboten würden).

Und da sind wir an einem anderen, aber zentralen Punkt: Als Konsequenz des verlorenen Kampfes gegen die krassen Sozialkürzungen greifen wir jetzt zum ideologischen Kampffeld der CDU: die Familien müssten sich verändern. Da die Familien aber, auch als Folge des Sozialkahlschlags auf die soziale und ideologische Infrastruktur zurückgreifen, die ihnen Radikalislamisten anbieten, wird sich hier natürlich nichts ändern.
Vielmehr wird eine verstärkte Polarisierung, ein weiterer Verlust an interkultureller Kommunikation und in letzter Konsequenz die Stärkung von "Parallelgesellschaften" im Land oder die Ausgrenzung aus dem Land ("bleibt einem  muslimischen Vater keine andere Wahl, als seine Tochter ohne Kopftuch in die Schule zu schicken,
wenn er weiterhin in Deutschland leben und arbeiten möchte").
Eine Politik des "integriert doch uns verfolgte Frauen und schmeißt die Männer raus" wird natürlich nicht funktionieren.

Ich jedenfalls werde nicht akzeptieren, dass nun Teile der Linken den Ausbau weiterer Repressionsinstrumente des Staates einfordern.

Rüdiger

 

Ein Kommentar:

Liebe Halina,

 ich habe mich durch die Texte gekämpft und mir fällt dazu spontan folgendes ein:

 Rüdiger Brandt posiert als Kämpfer gegen staatliche Repression. Der Mann scheint schizophren zu sein, ist er doch Mitglied der Regierungspartei, die uns schon einige kriegerische Unternehmungen eingebrockt hat. Da verfälscht er die Verhinderung repressiver Ideologisierung/Propaganda um in obrigkeitsstaatliche Repression. Ein phrasendreschender "linker" Patriot....

Aber auch Ute Scheub und einige meiner partisan-freunde verbinden die Kopftuchablehnung mit einem Hinweis auf Rassismus. Das wird übrigens gezielt von Islamisten in die Debatte reingetragen und viele Linke merken das nicht, weil es mit linkem Jargon vorgetragen wird. Die sind wirklich ziemlich geschickt. Vielleicht sollten wir umgekehrt verlangen, dass sich alle muslimischen Frauen unter der Burka verstecken sollten. Schließlich geht es ja um die fraulichen Reize, die vor Männerblicken geschützt werden müssen. Als Mann kann ich Dir verraten, dass für mich weibliche Augen und ein voller Mund besonders reizvoll sind. Also runter unter die Burka damit, sonst komme ich noch auf falsche Gedanken...

 Als emanzipativ denkende Menschen werden wir natürlich fordern, auch die männlichen Reize unter einer Burka zu verstecken. Gleiches Recht und gleiche Pflicht für alle!

 In diesem egalitären Sinne grüßt Dich herzlichst

 Günter

Mariam Notten antwortet auf
Rüdiger Brandt

Rüdiger :

Liebe Leute,

mir widerstrebt die weitergeleitete Stellungnahme von Mariam Notten. Da Halina aber wohl versucht hat, sie in Alxhain zu setzen, tue ich das (ein letztes Mal) stellvertretend.

Mariam Notten:

 Lieber Rüdiger,

es tut mir sehr leid, dass Sie sich von meiner Stellungnahme zum Problem Kopftuch belästigt fühlen. Im Zeitalter des Mailens kann ich leider nicht verhindern, dass meine Meil ungewollt auch Sie erreicht hat. Doch meine Meinung zu Ihrem Schreiben nicht zu lesen, fände ich unfair.

Rüdiger:

Zum ersten Argument von Mariam Notten: Wenn ihre Aussage "Mädchen, bereits im Alter von 6 Jahren  bekommen das Kopftuch dermaßen fest um den Hals geschnürt, dass die Gefahr besteht, die Durchblutung der Halsschlagader und anderen Blutgefäßen im Kopf zu beeinträchtigen."  stimmt, ist das Körperverletzung und Kindesmisshandlung und muss damit strafrechtlich und vom Jugendamt verhandelt werden. Dass das in der Realität häufig nicht geschieht, weiß ich auch. Weitere Respresionsinstrumente werden daran aber auch nichts verändern.

M. Notten:

Es wäre wünschenswert der Sache nach zu gehen, um heraus zu finden, welche psychische und physische Nebenwirkungen das Tragen eines Kopftuches für ein sechjahiges Mädchen haben könnte. Dazu braucht man keine „neuen Repressionsinstrumente“. Die bestehende Gesetze reichen dafür aus.

Rüdiger:

Mariam Notten schlägt ja eine Ausweitung staatlicher Repression vor und nimmt sogar eine erzwungene Auswanderung der Familien in Kauf (realer wäre sicherlich die Konsequenz, dass die Mädchen dem Hoheitszugriff des deutschen Staates entzogen und in muslimische Heimatländer geschickt werden - wohl heute schon eine nicht seltene Praxis).

M. Notten:

Dass diese Angst unrealistisch ist, kann man an Frankreich( das Kopftuchtragen in den Schulen verbietet) fesstellen. Da wandern auch die Migranten nicht scharenweise aus; auch schicken sie alle ihre Töchter nicht in die Heimat zurück. Diejenigen Mädchen, die zwangsweise von ihren Eltern in die Heimat geschickt und dort zwangsverheiratet werden,  gehören eben leider diesen sittenstrengen Familien an, in denen die Väter die absolute Macht über alles Weibliche ausüben dürfen. Diese Patriachen bilden eine "Parallelgesellschaft" mitten in einem demokratischen Land. Ihren uneingeschränkten  Herrschaft über „ihren“ Frauen/Töchtern (im Namen der Integration) nicht anzutasten, grenzt m.E. an Zynismus.

Rüdiger:

Sie kontekariert damit ihre - berechtigterweise kritische - Sicht der "deutschen Beamten". Entweder sie traut ihnen keine ausreichende Urteilskraft zu oder sie gibt ihnen ein weiteres Repressionsinstrument in die Hand.

M. Notten:

Ich konterkariere nicht, sondern bin für klare bundesweite Regelungen, damit nicht jeder Beamter nach seinem Ermessen  willkürlich handeln kann. Das hat mit Repression nichts zu tun.

Rüdiger:

Im übrigen ist mir nicht wirklich klar, was Mädchen aus den beschriebenen Elternhäusern über die Lehrerinnen ohne Kopftuch denken. Sind das für sie Huren (also keine "moralisch anständige Frau"en?) und damit in jedem Fall abzulehnende Vorbilder?

 M. Notten:

Hierzu zitiere ich einige meiner Schülerinnen:

„ Eine Frau, die kein Kopftuch trägt, ist eine Sünderin. Sie wird sich beim Jüngsten Gericht vor Gott verantworten müssen. Und sie wird furchtbar bestraft werden“.

„Wenn ich jetzt mein Kopftuch ablegen würde, werden mich meine Freunde und Verwandte als Schlampe bezeichnen“

„ Ich darf keinem Mann die Hand geben, denn meine weiche Haut wird ihn erregen. Mit den Haaren ist es auch so. Dann begehe ich eine Sünde, wenn ich Männer erregen würde“.

Was auch immer, eins ist  sicher, eine Frau, die das Gebot der Kleiderordnung nicht befolgt, dient mit Sicherheit nicht als Vorbild.

Was die Kleidervorschrift der moralisch anständigen Frau angeht, ist noch folgendes zu vermerken:

Eine ehrbare moralisch anständige Frau trägt ihre Reize bedeckt. Das ist die gängige Interpretation des Korans bezüglich der Kleidung.

a) Dass dieses Gebot bis zur Perversion ausgeweitet werden kann, hängt von der Macht der jeweiligen Interpreten ab (Siehe Taliban in Afghanistan oder Saudi Arabien, die Mullahs im Iran).

b) Dass ein 6 järiges Mädchen auch laut Koran noch keine Frau ist und dennoch das Kopftuch tragen muss, ist m.E. das Vorzeichen dieser Perversion, die irgendwann soweit gehen kann, dass Man(n) diesen Frauen  sämtliche Menschenrechte berauben wird. Genau diese Entwicklung haben wir auch in Afghanistan erlebt.

Rüdiger:

Ist meine Wahrnehmung auf der Straße so falsch, dass gerade Mädchen mit Kopftüchern neben ihren Freundinnen ohne Kopftücher durch besonders freche Sprache kompensieren, es also eine Kultur des "Kompromisses" gibt, die verschiedene Entwicklungsmöglichkeiten bietet (wenn sie denn ökonomisch-sozial auch tatsächlich angeboten würden).

M. Notten:

Eine nicht  wünschenswerte Kultur des Kompromisses.

Welche Kompensationsmöglichkeiten sollten wir einem 6 järigen Mädchen, das Kopftuch trägt, anbieten, damit es von seinem Mitschülerinnen nicht ausgegrenzt wird?, damit es am Schwimm- und Sportunterricht teilnehmen darf ?, damit es, wie alle gesunden Kinder ungehindert herum toben kann ?, damit es im Laufe der Jahre allmählich ihre Haare nicht verlieren muss? , damit ihr Kopfhaut/ -gefäße besser durchblutet werden?, damit es später als Frau stolz auf ihren weiblichen Reize ist und sich hinter langen Gewädern nicht verstecken muss? usw. ...... .All diese Entbehrungen  können nicht kompensiert werden!

Rüdiger:

Und da sind wir an einem anderen, aber zentralen Punkt: Als Konsequenz des verlorenen Kampfes gegen die krassen Sozialkürzungen greifen wir jetzt zum ideologischen Kampffeld der CDU: die Familien müssten sich verändern. Da die Familien aber, auch als Folge des Sozialkahlschlags auf die soziale und ideologische Infrastruktur zurückgreifen, die ihnen Radikalislamisten anbieten, wird sich hier natürlich nichts ändern.

M. Notten:

Was dem Sozialkahlschlag, und der Zulauf zu den Radikalislamisten angeht, bin ich Ihrer Meinung. Doch wofür ich plädiere, und welche Veränderung der Familie die CDU fordert, besteht ein gewaltiger Unterschied. Ich fordere die Einschränkung des Gewaltmonopols eines muslimischen Patriaschen über "SEINE" Töchter und Frauen, in welcher Form auch immer.

Rüdiger:

Vielmehr wird eine verstärkte Polarisierung, ein weiterer Verlust an interkultureller Kommunikation und in letzter Konsequenz die Stärkung von "Parallelgesellschaften" im Land ......

M. Notten:

Nicht wir verstärken die Polarisierung der Kulturen und schaffen  „Parallelgesellschaften“, sondern die Radikalislamisten. Diese „Parallelgesellschaft“ existiert bereits. Und wir unterstützuen sie noch mit unserem naiven Libaralismus. 

Rüdiger:

......oder die Ausgrenzung aus dem Land ("bleibt einem  muslimischen Vater keine andere Wahl, als seine Tochter ohne Kopftuch in die Schule zu schicken, wenn er weiterhin in Deutschland leben und arbeiten möchte").
Eine Politik des "integriert doch uns verfolgte Frauen und schmeißt die Männer raus" wird natürlich nicht funktionieren.

 M. Notten :

Keine Polemik bitte!

Ja, viele Frauen brauchen Unterschtüzung, damit sie (wie Sie und ich) über ihrem Tun selbt frei entscheiden dürfen.Niemand will alle Männer rausschmeißen, aber ich möchte auch nicht, ihren Verbleib im Lande mit dem Preis der Freiheit einer Frau bezahlen. Das ist nicht meine Vorstellung von Integration.

Rüdiger:

Ich jedenfalls werde nicht akzeptieren, dass nun Teile der Linken den Ausbau weiterer Repressionsinstrumente des Staates einfordern.

M. Notten :

Im Übrigen, ich gehörte/gehöre nicht zu den dogmatischen Linken, die Marx gegen Jesus ausgetauscht haben. Auch zähle ich mich nicht zu den Frauen (wenn es sie überhaupt gibt), die alle Frauen als Verfolgte bezeichnen und alle Männer aus dem Lande verjagen möchten.Ich bin einfach gegen das Machtmonopol, egal von welchen Geschlecht und unter welcher Ideologie  auch immer ausgeübt wird. Das ist nicht repressiv, sondern progressiv.

Rüdiger

Mariam Notten

Und ein ähnlicher Dialog:

Lieber S.,

als Abonnent des Muslim-Marktes wird Dir sicher nicht folgender Artikel entgangen sein:

http://www.muslim-markt.de/Service/zeitungsartikel/emma.htm

Dort findest Du wichtige Namen für Dein Bündnisprojekt. Ich selbst könnte auch noch ehemalige Haschrebellen benennen, die konvertiert sind, weil sie es ohne festen Halt nicht mehr geschafft haben, ihr leben selbständig zu organisieren. Einer von ihnen, ehemals Happy D., lebt sogar in Berlin. Ein netter Mann, für den Djihad gegen den Imperialismus aber vielleicht doch schon zu alt...

Nein, im Ernst, wir sollten uns mal intensiver unterhalten. Nicht weil ich denke, Marx hatte immer Recht, aber in diesem Zusammenhang bin ich der Meinung, er hat das richtige geschrieben in seiner Einleitung zur Hegelschen Rechtsphilosophie: Kritik fängt immer an mit der Kritik der Religion, verballhornt von Lenin: Religion ist Opium fürs Volk. Bakunin stand dabei nicht abseits und mit ihm alle anderen Anarchisten: Kein Gott und kein Tribun. Ich meine, das sind Essentials für emanzipative Politik.

Die Antiimpstrategie führt in die Mystik und induziert einen Backlash. Wichtige Bereiche werden dem Kampf gegen den Hauptfeind untergeordnet, insbesondere eben die Emanzipation vom religiösen Aberglauben und vor allem die Emanzipation der Frauen, letztendlich aber auch die Emanzipation aller (inklusive männlichen) Individuen von Herrschaft, sei sie nun politisch oder religiös bestimmt. Ähnliches gab's schon mal Ende der 60er. Die MLer haben damit die antiautoritäre Revolte zerschlagen und sind in den Stalinismus abgedriftet. Dein Projekt scheint mir eine Neuauflage davon zu sein. Lass Dich warnen: Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste!

In irgendeinem Bericht habe ich gestern gelesen, dass Saudi-Arabien seit dem ersten Golfkrieg 70 Milliarden Dollar für Propagandazwecke ausgegeben hat. Damit sind weltweit Moscheen gebaut und viele Gruppen und Propagandisten finanziert worden. Das sind die Leute, mit denen Du unweigerlich zu tun bekommst, wie z.B. die Brüder Ramadam und Co. Letztes Jahr war ich in Gibraltar. Die Bevölkerung ist dort hauptsächlich britisch und spanisch. An der Südspitze dieser Halbinsel wohnt niemand. Dort gibt es nur den bekannten Leuchtturm und, ja, Du hast es erraten, eine Moschee, gebaut mit saudischem Geld. Es wäre mal interessant nachzurechnen, wieviel sie bereits in Berlin investiert haben. Nur mal so. Damit wir wissen, mit wem wir es zu tun haben. Wenn der CIA, der Mossad oder andere Mächte was finanzieren, wollen wir das ja auch wissen. Warum hier also zurückhaltend sein?

Die Scharia scheint zum Essential des Islam zu gehören, schließlich ist sie ja gottgewollt. Solange sich ein bekennender Muslim nicht von der Scharia distanziert, kann es meiner Meinung nach kein Bündnis geben, denn in letzter Konsequenz bedeutet die Scharia Deine Unterdrückung. Von mir aus kann jeder Mensch glauben was er will (meinetwegen auch Burqa tragen), solange er davon keine Taten ableitet, die mir schaden könnten. Die Akzeptanz der Scharia tut dies aber im Zweifelsfall, wenn diese Gläubigen die Macht erringen könnten. Schon jetzt versuchen muslimische Gruppen Kritik an ihrer Religion zu verhindern. Dies hat Eberhard Seidel eindrucksvoll in einem Artikel in den "Blättern" (Novemberausgabe) beschrieben.

Kritik ja - Bündnis, nein danke!

Es grüßt solidarisch

G.