zurück

 
 

SDS-Website

 
 

 Post scriptum zum Nachruf auf Bodo Saggel

Haschrebell gegen Antisemitismus

Es gilt heute schon fast als Allgemeingut, dass die 68er im Allgemeinen und die SDSler im Besonderen einem linken Antisemitismus gefrönt hätten, häufig getarnt als Antizionismus. Getopt wurde diese Tendenz angeblich von den sog. Haschrebellen. Dies wird auch von Wolfgang Kraushaar in seinen letzten Veröffentlichungen so kolportiert. Was nicht in seinen Kram passt, lässt er dabei einfach weg. Der Kern der Haschrebellenbewegung bestand aus einigen wenigen Dutzend Personen. Eine der zentralen Figuren war Bodo Saggel, ein Ex-Knacki, der durch seine "Justizkampagne" einige Berühmtheit erlangte. Bodo Saggel war es, der das berühmte Teach-In der Haschrebellen im Audi-Max der TU-Berlin durchzog. Agitation Free gab dazu ein freies Konzert. Als er am 24.12.2003 in seiner Kreuzberger Kneipe tot vom Tresen fiel, war er immer noch ein begeisterter Hascher. 

Was passte nun Kraushaar nicht in den Kram? Was ließ er einfach weg?

Am 15.10.2005 veröffentlichen Markus Mohr und Hartmut Rübner in der Jungen Welt eine Kritik am "Bombenbuch" des Wolfgang Kraushaar, Mitarbeiter im Reemtsma-Institut. Sie hatten sich, wie Kraushaar, des Archivs im Reemtsma-Institut bedient. Hier der interessanteste Teil ihres Textes: 

"Als Beleg für diese Vermutung wird eine Äußerung angeführt, die der Kommunarde Bodo Saggel in SDS-Kreisen angegeben haben soll. Das läßt sich mit Blick auf eine in dem Archiv des Hamburger Instituts für Sozialforschung unter der Signatur SAK 300,46 aufbewahrte Akte erheblich präziser beschreiben: Darin findet sich ein auf den 5. Dezember 1969 datiertes Aussageprotokoll des Betreffenden, in dem dieser nicht vor »SDS-Kreisen«, sondern direkt mit Amtsgerichtsrat Lehmann, Staatsanwalt Tscheppan und dem Justizangestellten Leonhardt spricht. Saggel gibt hier vom Hörensagen die Namen von Albert Fichter, Georg von Rauch und Kunzelmann als Täter für den Sprengstoffanschlag auf das jüdische Gemeindehaus an. Weil er »etwas für die Juden übrig habe«, sei er am 17. November 1969 zur Polizei gegangen, um seinen Verdacht zu äußern. Es überzeugt uns einfach nicht, daß es dann noch – glaubt man Kraushaar – weitere fünf Monate gedauert haben soll, bis auch die »Kriminalpolizei« Kenntnis von den Saggelschen Einlassungen bekommen haben soll."

Bodo Saggel hatte also im Rahmen des SDS, d.h. vermutlich auch mit seinen unmittelbaren Freunden aus dem Kreis der Haschrebellen, das Attentat auf das Jüdische Gemeindehaus diskutiert. Diese Gespräche haben ihn offenbar davon überzeugt, handeln zu müssen und er hat sich, wenn man diesen Quellen glauben darf, an die Justiz gewandt. Eine schärfere Distanzierung kann man sich kaum vorstellen. Eine zentrale Figur der Haschrebellen verpfeift die vermeintlichen Täter einer antisemitischen Aktion. Bezeichnenderweise verschweigen viele Kritiker der Haschrebellen (so z.B. Martin Kloke, Tjark Kunstreich usw.) Bodos Aktion. Es passt diesen Leuten nicht in den Kram, dass zentrale Figuren der Haschrebellen die Eskapaden der El Fatah-Freunde nicht nur nicht mitmachten, sondern aktiv bekämpften. Der Antisemitismus war eben kein konstitutiver Bestandteil dieser Bewegung.

Wir wissen nicht, ob Kraushaar das von Mohr und Rübner gefundene Dokument ebenfalls entdeckt hatte, bevor er sein Buch schrieb. Die Ereignisse um Mohrs Hausverbot im Reemtsma-Institut lassen aber die Vermutung zu. Man fürchtete offenbar die Aufdeckung weiterer Fakten, die gegen Kraushaars Thesen sprechen, und entledigte sich auf billige Art eines Kritikers. Wen's interessiert, sei auf die Dokumentation zu diesem merkwürdigen Umgang einer offenbar selbstherrlichen Institutsleitung mit unabhängigen Forschern verwiesen:
Archivnutzungs- und Hausverbot gegen Markus Mohr im Reemtsma- Institut
. Inzwischen ist das Hausverbot wieder aufgehoben worden (Sommer 2006).

Lit.: Markus Mohr / Hartmut Rübner:  »Der Feind ist deutlich« 
oder: Wie Dr. Wolfgang Kraushaar lernte, die Bombe zu lieben

 

 

22.3.06