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Vollmer fordert Kopftuchverbot für Lehrerinnen in Deutschland

Von Timm Krägenow und Silke Mertins, Berlin

Bundestags-Vizepräsidentin Antje Vollmer hat sich für ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen an deutschen Schulen ausgesprochen. Sie sagte, dass Kopftuch sei kein religiöses Symbol.

"Spätestens seit Chomeini ist das Kopftuch ein politisches Symbol der islamistischen Bewegung und ihrer gesellschaftlichen Ordnungsvorstellung, die die Frau dem Mann unterordnet. Diese politische Demonstration hat an unseren Schulen nichts zu suchen", sagte die Grünen-Politikerin im Interview mit der FTD: "Es ist jedem ungenommen, auf der Straße dafür zu demonstrieren. Aber nicht in der Schule. Die Schule ist für viele Mädchen aus islamistischen Familien die einzige Chance, freies Denken zu lernen."

Damit reagiert Vollmer auf den Aufruf von mehr als 70 prominenten deutschen Frauen, die sich gegen eine "Lex Kopftuch" ausgesprochen und vor einer Ausgrenzungspolitik gewarnt hatten. Der französische Staatspräsident Jacques Chirac hatte am Mittwoch für französische Schulen ein Kopftuchverbot auch für Schülerinnen gefordert.

Ludin ist ohne Kopftuch nackt

Diese Forderung geht Vollmer zu weit. "Wir dürfen nicht die einzelnen Schülerinnen diesen Kampf austragen lassen. Ich fürchte, dass die Mädchen dann gar nicht mehr zur Schule gehen dürfen", sagte Vollmer: "Um so weniger möchte ich, dass die Mädchen dort eine Lehrerin treffen, die ihnen sagt oder vorlebt, dass sie ohne Kopftuch inakzeptabel sind." Wenn die Klägerin Fereshta Ludin vor dem Verfassungsgericht sage, sie sei ohne Kopftuch nackt, dann meine sie damit, Frauen, die das Kopftuch nicht tragen, seien ehrlos und mit Huren vergleichbar: "Da frage ich mich, was soll eine solche Haltung in der Schule. Wie wird sie die von uns geforderten Werte der Humanität und Toleranz in der Praxis vertreten?"

Vollmer sagte, das Kopftuch sei kein religiöses Symbol. Der Koran schreibe das Tuch nicht vor. "Ich bestreite, dass der Kampf wirklich um religiöse Toleranz geht. Unter dem Vorwand der Toleranz geht es um den Flächengewinn einer ideologischen Position."

"Unter das Tuch gezwungen"

Millionen Frauen auf der Welt hätten das Kopftuch eben nicht freiwillig gewählt, sondern würden "unter das Tuch gezwungen", sagte die Theologin. Sie sei selbst lange der Meinung gewesen, dass das Kopftuch nicht verboten werden dürfe: "Wie jeder westliche Mensch war ich zunächst auf einer Linie der abstrakten Toleranz, aber nach Gesprächen mit Frauen aus den Ländern, die jetzt unter dem Islamismus leiden, habe ich meine Meinung geändert."

In Algerien seien Frauen die Beine aufgeschlitzt worden, die auf der Straße kurze Röcke trugen. Im Iran würden Frauen diskriminiert, wenn sie keinen ordentlichen Tschador tragen. "Der Islam muss sich mit großem Ernst gegen eine islamistische Verengung verteidigen, die in Teilen faschistoide Züge einer Männerherrschaft trägt", sagte Vollmer. Die Frauen in Algerien und im Iran fragten die Frauen im Westen, warum sie sich darum nicht gekümmert hätten.

Financial Times Deutschland vom 19.12.03