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Sozialistische Linke und Umgruppierung heutevon ALEX CALLINICOS Der
Jahrtausendwechsel wurde als Übergang der Welt in eine Epoche der
kapitalistischen Prosperität und des Friedens gefeiert. Tatsächlich
waren die darauf folgenden Jahre durch die Entwicklung einer globalen
wirtschaftlichen Rezession und die schwerste internationale Krise seit
dem Ende des Kalten Krieges geprägt. Das Gegengewicht zu diesen düsteren
Ereignissen bildete die seit den Protesten in Seattle im November 1999
aufkommende weltweite Bewegung gegen den globalen Kapitalismus und
zunehmend auch gegen den Kriegskurs des US-Imperialismus. In diesem
Kontext findet eine bedeutende Wiederbelebung der sog. radikalen
Linken in Europa statt – der Parteien links von der Hauptströmung
der Sozialdemokratie. Zu den wichtigsten Entwicklungen gehören der
Erfolg der trotzkistischen Kandidaten beim ersten Wahlgang der französischen
Präsidentschaftswahlen im April 2002, der Linksruck der Partei der
kommunistischen Neugründung (PRC – Partito della Rifondazione
Comunista) in Italien sowie die Tatsache, dass New Labour in Großbritannien
von der Socialist Alliance und der Scottish Socialist Party (SSP) bei
den Wahlen herausgefordert wird. Dieser Prozess ist
keineswegs auf Europa beschränkt. Lateinamerika, das zu den größten
Opfern des neoliberalen Washingtoner Konsenses gehört, erlebte die
Wiedergeburt der Linken als Resultat einer Reihe spektakulärer Kämpfe
– vor allem der Rebellion in Argentinien im Dezember 2001. Die in
London ansässige internationale Wirtschaftszeitung Financial Times
hat diese Entwicklungen in einer Reihe zunehmend düsterer Artikel mit
Sorge registriert. Einer dieser Artikel zitierte eine Bemerkung
Michael Shifters vom Inter-American Dialogue, die weitgehend auf den
ganzen Kontinent anwendbar ist: »Die Menschen gehen auf die Straße,
wie wir dies lange nicht mehr erlebt haben … In Peru tauchen wieder
linke Bewegungen aus den 60er und 70er Jahren auf, die längst für
tot gehalten wurden.«1 Am Vorabend des Erdrutschsiegs von Lula, dem Führer
der Arbeiterpartei (PT), bei den brasilianischen Präsidentschaftswahlen
berichtete die Financial Times, dass diese Entwicklungen für die
republikanische Rechte in Washington »gleichbedeutend sind mit der
Ausdehnung einer neuen ›Achse des Bösen‹, zu der bereits Fidel
Castros Kuba und Hugo Chávez’ bolivarianische Revolution in
Venezuela gehören«.2 Tatsächlich war
Lulas Sieg ein eher zweischneidiges Ereignis. Er spiegelte die Stärke
der Massenbewegungen in Brasilien wider, vor allem des
Gewerkschaftsverbands CUT und der Bewegung der Landlosen (MST), die an
vorderster Front der globalen Opposition gegen den Neoliberalismus
standen, besonders mittels der Weltsozialforen, die in Porto Alegre
stattfanden. Doch der Wahl von Lula folgte der Rechtsruck der PT,
indem sie zunehmend eine neoliberale Politik vertrat, um die Finanzmärkte
zu besänftigen – ein Muster, das wir aus der Geschichte der europäischen
Sozialdemokratie nur zu gut kennen. Wenngleich ich mich im Folgenden
auf den Umgruppierungsprozess in Europa konzentrieren werde, kann
meine Analyse auch für die Entwicklungen auf anderen Kontinenten von
Belang sein. Europas neue Linke Die radikale Linke
in Europa ist eine heterogene Ansammlung. Sie umfasst einige der
wichtigsten Formationen der revolutionären Linken – hauptsächlich
die Ligue Communiste Révolutionnaire (LCR) in Frankreich und die
Socialist Workers Party (SWP) in Großbritannien, die Aushängeschilder
von zwei bedeutenderen internationalen trotzkistischen Tendenzen, der
IV.Internationale bzw. der International Socialist Tendency (IST).3
Die PRC hat dagegen ihre Wurzeln in den stalinistischen und
linkssozialdemokratischen Traditionen, wenngleich Revolutionäre (darunter
die Anhänger der IV.Internationale und der IST) in ihr organisiert
sind. Schließlich umfasst die radikale Linke verschiedene Bündnisse
– die Socialist Alliance in England und Wales, die Rot-Grüne
Allianz in Dänemark, der Linksblock in Portugal – sowie eine Partei,
die SSP, die auch Revolutionäre und Reformisten in ihren Reihen
vereinen. Diese
verschiedenen Formationen sind nun durch die zweimal im Jahr
stattfindenden Konferenzen der Europäischen Antikapitalistischen
Linken (EAL) formal unter einem Dach vereint. Die Existenz dieses und
anderer Netzwerke, die die radikale Linke verbinden, ist Indiz für
einen derzeit stattfindenden dramatischen Prozess der Neuformierung.
Die Teilnahme bspw. der SWP an einem von der PRC einberufenen Treffen
in Rom im September 2002, an dem hauptsächlich die wichtigsten überlebenden
europäischen Kommunistischen Parteien teilnahmen, wäre fünf Jahre
zuvor unvorstellbar gewesen. Dieser Prozess spiegelt sich auch in den
Diskussionen wider, die sich unter verschiedenen revolutionären
Tendenzen entwickelten, vor allem der IV.Internationale und der IST,
deren Vertreter sich ebenfalls im September 2002 in Paris trafen. Auch
ein solches Treffen wäre einige Jahre zuvor unvorstellbar gewesen. Es ist jedoch
wichtig zu begreifen, dass die Entwicklung der formell organisierten
radikalen Linken in Europa nur die Spitze des Eisbergs ist. Der gegenwärtig
ablaufende Prozess der Radikalisierung ist weit umfassender. Seit den
späten 90er Jahren ist in Europa eine Reihe antikapitalistischer
Netzwerke entstanden – z.B. Attac, die französische Kampagne für
die Tobinsteuer, die seit ihrer Gründung 1998 ihre inhaltliche und
geografische Reichweite deutlich ausgedehnt hat; die Bewegung der
italienischen Sozialforen, die sich nach den Protesten gegen den
G8-Gipfel in Genua im Juli 2001 entwickelten; Globalise Resistance in
Großbritannien und Irland; die Kampagne Genua 2001 in Griechenland.4
Diese und zahlreiche weitere Koalitionen von Aktiven sind nun am Europäischen
Sozialforum beteiligt, das sich zum ersten Mal im November 2002 in
Florenz versammelt hat. Viele beteiligen sich auch am Weltsozialforum.
Sie überschneiden sich mit den Massenmobilisierungen, die es im
vergangenen Jahr in Europa gegeben hat: gegen Antigewerkschaftsgesetze
in Italien und Spanien, gegen den Nazi Le Pen in Frankreich und vor
allem gegen die Kriege in Afghanistan und im Irak. Die Stop the War
Coalition (SWC) ist zum Brennpunkt der vielleicht größten
Friedensbewegung im Nachkriegs-Großbritannien geworden, die überdies
eine radikale antiimperialistische Schärfe aufwies, die sie mit der
breiteren Infragestellung des globalen Kapitalismus verbindet. Partei und
Bewegung Die Entwicklung
dieser Bewegungen bestimmt die heutige Aufgabe der radikalen Linken. Können
sie eine wirksame Beziehung zu diesen Bewegungen aufbauen – sich zum
Teil der Bewegungen machen, an ihrem Aufbau arbeiten und auch einen
politischen Kampf führen, um sie zu beeinflussen? Dies ist der
entscheidende Test, den wir heute bestehen müssen. Die Interventionen
bei Wahlen, die von den verschiedenen Formationen gemacht werden, auf
nationaler Ebene wie auch potenziell im europäischen Maßstab,
sollten nach diesem Kriterium beurteilt werden und nicht als Ziel an
sich. Zum Beispiel war die von Olivier Besancenot und der LCR so überaus
effektvoll durchgeführte Präsidentschaftskampagne erfolgreich, weil
Olivier das antikapitalistische Bewusstsein, besonders breiter Teile
der französischen Jugend, zum Ausdruck brachte und weil sie der LCR
einen Platz als entscheidenden Faktor beim Aufbau eines politischen Trägers
für dieses Bewusstsein zuwies. Wahlkampagnen sind nicht die
privilegierte Form politischer Intervention (wie es manchmal den
Anschein hat), sondern einfach ein Mittel, durch das die radikale
Linke der Radikalisierung eine Form verleihen kann. Definitionsgemäß
stellt sich die radikale Linke die Aufgabe, politische Parteien
aufzubauen – eine kontroverse Position, die von vielen zurückgewiesen
wird, die von den reformistischen und autonomistischen Strömungen
innerhalb der antikapitalistischen Bewegung beeinflusst sind. Unserer
Auffassung nach zwingt uns ein angemessenes Verständnis der
leninistischen Tradition, die oft präsentierte Entscheidung zwischen
Partei und Bewegung als falsches Dilemma zurückzuweisen. Revolutionäre
sollten bestrebt sein, sowohl Partei wie Bewegung aufzubauen. Weit
davon entfernt, die Bewegung zu schwächen, kann eine effektive
sozialistische Partei die Bewegung stärker, dynamischer und kohärenter
machen. Die SWP bspw. ist eine führende Kraft der SWC gewesen. Dies
hat jedoch die Anziehungskraft der Koalition nicht eingeschränkt. Im
Gegenteil haben wir Versuchen widerstanden, die Koalition dadurch zu
verengen, dass sie bspw. auf eine formale Kritik des Imperialismus
oder eine Verurteilung des radikalen Islam verpflichtet wird. Indem
wir erfolgreich argumentierten, dass die Koalition sich ausschließlich
auf die Opposition gegen Bushs Kriegskurs und die daraus folgenden
rassistischen Attacken und die Bedrohungen der Bürgerrechte
konzentrieren sollte, halfen wir auf diese Weise, sie als so wenig
ausgrenzend wie möglich zu bewahren, und legten so die Basis für die
Massenbewegung, die sie geworden ist. Diese Einschätzung
des Verhältnisses zwischen Partei und Bewegung ergibt sich aus der
umfassenderen revolutionär-marxistischen Tradition. Diese Tradition
ist jedoch kein Satz zeitloser Texte, sondern vielmehr ein
historischer Prozess, durch den aufeinanderfolgende Generationen von
Revolutionären den Marxismus entwickelten, indem sie sich an den
konkreten Kämpfen ihrer Zeit beteiligten. Um zu bestimmen, welche Art
von Parteien wir aufbauen sollten und mit wem, reicht es nicht aus,
Lenin und Trotzki zu lesen (so wichtig dies auch ist). Wir müssen
sorgfältig die historische Situation untersuchen, die die gegenwärtige
neue Gelegenheit für die radikale Linke hervorgebracht hat. »Die
Partei aufbauen«, das ist heute nach Seattle und Genua und nach dem
11.September nicht mehr dasselbe wie in den 70er und 80er Jahren, ganz
zu schweigen von der Ära der II.Internationale oder nach der
russischen Revolution oder während der Hoch-Zeit des Stalinismus. Die
Art der Parteien, die wir jetzt aufbauen sollten, hängt entscheidend
von den historischen Umständen ab, mit denen wir gegenwärtig
konfrontiert sind. Die aktuell
stattfindende Wiederbelebung und Neuformierung der Linken hat zwei
Hauptursachen und stößt auf eine wesentliche Herausforderung.5 Die
Ursachen sind der Zusammenbruch des Stalinismus und die Entwicklung
der antikapitalistischen Bewegung; die Herausforderung ist die neue Ära
imperialistischer Kriege. Der Sturz der stalinistischen Regime in Ost-
und Mitteleuropa und der Zerfall der Sowjetunion hatten anfänglich
eine negative Auswirkung auf die Linke im internationalen Maßstab, da
viele noch – und sei es vielleicht nur unbewusst – Hoffnung auf
die Existenz dessen hegten, was eine Systemalternative zum westlichen
Marktkapitalismus zu sein schien. Längerfristig jedoch hat das Ende
des (nicht mehr) »real existierenden Sozialismus« dazu gedient,
ideologisch reinen Tisch zu machen, und die Aktivisten und
Intellektuellen ermutigt, sich dem Kapitalismus entgegenzustellen,
ohne das Gefühl zu haben, ihre Politik bezüglich der stalinistischen
Monstrosität positionieren zu müssen. Dieses Gefühl, dass man in
eine neue Ära eingetreten ist, wurde durch die Entwicklung einer
internationalen Bewegung gegen den globalen Kapitalismus deutlich
verstärkt – ein Prozess, der durch die großen Proteste in Seattle,
Genua und Barcelona sowie durch die Versammlungen des Weltsozialforums
in Porto Alegre geprägt war. Nachdem man vor einem Jahrzehnt das »Ende
der Geschichte« proklamiert hatte, wird der Kapitalismus nun wieder
praktisch herausgefordert und ideologisch in Frage gestellt. Die
offenkundigen Schwächen der antikapitalistischen Bewegung – vor
allem ihre ideologische Inkohärenz und ihr unklares Verhältnis zur
organisierten Arbeiterklasse – ändern nichts an ihrer ungeheueren
Bedeutung für die Erneuerung der Linken im internationalen Maßstab.6 Die
Herausforderung, vor der die Bewegung steht, ist offensichtlich. Die
Ära nach dem Kalten Krieg hat sich als neue Epoche imperialistischer
Kriege erwiesen, in der die USA nicht in erster Linie mit ihren
wichtigsten ökonomischen und geopolitischen Rivalen wie Deutschland,
Japan, Russland und China konfrontiert sind, sondern mit zweitrangigen
kapitalistischen Diktaturen, wobei sie bestrebt sind, ihre globale
Hegemonie zu bewahren und auszudehnen. Der Kriegskurs der
Bush-Administration, der sich gegenwärtig auf den Irak konzentriert,
hat diesen Prozess in eine neue und gefährliche Phase geführt.7 Die
antikapitalistische Bewegung kann sich entsprechend nur entwickeln,
wenn sie ihren Schwerpunkt erweitert und eine Antikriegs- und eine
antiimperialistische Bewegung wird. Wo sie diese Aufgabe übernommen
hat wie in Italien und Großbritannien, war das Resultat eine
Vertiefung und Ausweitung der Bewegung (tatsächlich haben in Großbritannien
die Antikriegsmobilisierungen eine bis dato eher diffuse
antikapitalistische Stimmung in eine wirkliche Bewegung verwandelt).
Wo antikapitalistische Netzwerke den Widerstand gegen Bushs Kriegskurs
nicht zu ihrer zentralen Aktivität gemacht haben wie in Frankreich,
kam die Bewegung zum Stillstand. Ich werde unten auf einige
Konsequenzen dieses Unterschieds zurückkommen. Ist der
Reformismus am Ende? Diese Analyse der
Quellen der Wiederbelebung der Linken wurde jüngst von Murray Smith
in Frage gestellt, einem führenden Intellektuellen des International
Socialist Movement (ISM), der dominierenden Plattform innerhalb der
SSP. Smith schreibt: »Der
Ausgangspunkt für jede Betrachtung in der revolutionären Linken über
Umgruppierung ist der umfassendere Prozess der Neuzusammensetzung der
Arbeiterbewegung. Den Ausgangspunkt bilden die qualitativen Veränderungen
in den traditionellen Arbeiterparteien, wodurch sich Möglichkeiten für
neue Arbeiterparteien auf der Grundlage sozialistischer, klassenkämpferischer
Politik eröffnen. Dabei sind diese Veränderungen selbst ein Produkt
der Entwicklung des Kapitalismus seit den 70er Jahren. Die Bedingungen
für Umgruppierungen und neue Parteien keimen seit 10 oder 15 Jahren.
Die Frage ist nur, wann es die verschiedenen politischen Kräfte
begriffen haben. Scottish Militant Labour fing an, dies Mitte der 90er
Jahre zu begreifen, weshalb sie 1996 die Initiative zur Bildung der
Scottish Socialist Alliance und 1998 zur SSP ergriffen. Die SWP hat
dies damals überhaupt nicht begriffen und begreift es auch jetzt
nicht vollständig.«8 Was genau hat die
SWP nicht vollständig begriffen? Die Antwort gibt Smith mit einem
beiläufigem Verweis auf die »Verbürgerlichung der Sozialdemokratie«,
die er versäumt, näher auszuführen. Dies wäre tatsächlich eine
große Veränderung, wenn die sozialdemokratischen Parteien ihre
Verbindungen mit der Arbeiterbewegung gekappt hätten und zu offen bürgerlichen
Formationen geworden wären. Das Problem besteht hier weniger in einem
Mangel an »Verständnis« auf Seiten der SWP als in einer bedeutenden
politischen Meinungsverschiedenheit. Doch selbst wenn es wahr wäre,
dass Organisationen wie die britische Labour Party, ihr australisches
Pendant, die deutsche SPD und die französische PS »verbürgerlicht«
sind, so würde diese Entwicklung nicht ausreichen, die internationale
Wiederbelebung der Linken im oben beschriebenen Sinn zu erklären. Um
damit anzufangen, den Raum zu füllen, den die Sozialdemokratie
hinterlassen hat, ist mehr erforderlich als das Hissen eines neuen
politischen Banners – oder gar die Aufstellung parlamentarischer
Kandidaten. Es hängt auch von der Entwicklung neuer Kämpfe und
Bewegungen ab, die beginnen, wachsenden Schichten der Arbeitenden und
der Jugend ein konkretes Verständnis ihrer Fähigkeit zum Widerstand
und zum Kampf für eine Alternative zu verleihen. So waren der
Ausgangspunkt für die Entwicklung der »Linken links von der Linken«
in Frankreich die Streiks im öffentlichen Sektor im November/Dezember
1995.9 Seattle, Genua und Argentinien haben diese Rolle auf breiterer
internationaler Front gespielt. In einer
bedeutenden Hinsicht jedoch hat Smith Recht. Es ist zweifellos wahr,
dass der Niedergang der traditionellen Arbeiterparteien einen Raum
links von ihnen geschaffen hat, den die radikale Linke zu füllen
beginnt. Aber dies ist ein Prozess, der sich in einer weit längeren
Zeitspanne entfaltet hat als die 10 oder 15 Jahre, auf die Smith sich
bezieht. Er ist ein Produkt zweier Ereignisse – 1956 und 1968 –
und eines langfristigeren Prozesses, des Niedergangs des klassischen
Reformismus. 1956 – die von Chruschtschows Geheimrede, in der Stalin
verurteilt wurde, und durch die sowjetische Unterdrückung der
ungarischen Revolution heraufbeschworene internationale Krise – repräsentierte
den ersten Riss in der bis dahin gemeinsam von den
sozialdemokratischen und Kommunistischen Parteien ausgeübten
Vorherrschaft über die Arbeiterbewegung. Der Historiker Eric Hobsbawm,
der bis zu ihrem Zusammenbruch Anfang der 90er Jahre ein loyales
Mitglied der Kommunistischen Partei Großbritanniens blieb, nannte
1956 jüngst ein »traumatisches Jahr« und ein »großes Erdbeben«
in der Geschichte der »kommunistischen Bewegung«.10 Dadurch dass die
KPs sowohl ihre Legitimität als auch ihre Aktivisten verloren,
konnten die ersten Formationen und Publikationen der Neuen Linken
entstehen, die versuchten eine Alternative zum Stalinismus wie zur
Sozialdemokratie zu entwickeln.11 1968 – und
allgemeiner der Aufschwung des Klassenkampfs und der politischen
Radikalisierung in den fortgeschritteneren kapitalistischen Ländern
Ende der 60er und Anfang der 70er Jahre – schuf ein weit größeres
Publikum unter den Arbeitenden und der Jugend für die Organisationen
der extremen Linken, die mit unterschiedlichem Erfolg und unter
diversem ideologischen Einfluss bestrebt waren, ihre jeweilige Version
einer leninistischen revolutionären Partei aufzubauen. Der Niedergang
dieser Bewegungen in den späten 70er Jahren zählt zu den Ursprüngen
der Krise der Linken – einer Krise, die durch die von Reagan und
Thatcher in den 80er Jahren eingeleitete und unter dem Banner des
Neoliberalismus in den 90er Jahren verallgemeinerte kapitalistische
Offensive deutlich verschärft wurde. Aus dieser Krise fangen wir nun
an wieder herauszukommen. Einige Organisationen, die aus den Kämpfen
der 60er und 70er Jahre hervorgegangen waren, in Europa insbesondere
die LCR und die SWP, blieben bedeutende Kräfte in der radikalen
Linken. Die intellektuellen Traditionen und historischen Erfahrungen,
die sie verkörpern, können einen bedeutenden Beitrag zur weiteren
Entwicklung dieser Linken leisten.12 Durch das Auf und
Ab des Klassenkampfs während der letzten Generation hindurch zieht
sich der Niedergang des klassischen Reformismus, wenngleich dies kein
kontinuierlicher Trend war, sondern eher ein komplexer Prozess, der
eine Vielfalt miteinander agierender Kräfte beinhaltet. Zwei sind
dabei besonders hervorzuheben. Erstens erlebten die reformistischen
Massenparteien, Sozialdemokraten wie KPs (einer der Züge der Periode
nach 1956 war die mehr oder weniger komplette Verwandlung der
stalinistischen Parteien in gewöhnliche reformistische Formationen),
einen bedeutenden Rückgang ihrer proletarischen Basis. Die dichten,
allumfassenden Arbeiterparteien der ersten Hälfte des 20.Jahrhunderts
– die SPD wurde sowohl vor dem Ersten Weltkrieg als auch in der
Weimarer Republik der 20er Jahre weitgehend als »Staat im Staate«
betrachtet – können sich nicht mehr auf die kontinuierliche
Beteiligung und politische Ergebenheit breiterer Schichten
proletarischer Aktivisten stützen.13 Dies ist ein ungleicher Prozess
– deutlicher in Großbritannien und Frankreich (wo die PS nie auf
die organische Beteiligung einer bedeutenden Anzahl von Handarbeitern
zählen konnte) als in Deutschland und generell langsamer in den KPs
–, aber es handelt sich unleugbar um ein verallgemeinertes Phänomen. Die Erosion der
reformistischen Parteien an der Basis hat verschiedene Ursachen, die
umfassendere soziale Prozesse widerspiegeln. Einerseits hat die Bürokratisierung
der Parlaments- und Kommunalpolitik diese Parteien zunehmend vom
Alltagsleben der Arbeiterklasse entfernt; gleichzeitig stützt sich
die moderne Wahlmaschinerie weit weniger auf die Routinetätigkeit und
gelegentliche Mobilisierung lokaler Aktivisten als in der
Vergangenheit, während ungeheuer kostspielige Medienkampagnen
mittlerweile den Schwerpunkt des Wahlkampfs bilden. Andererseits haben
die Entwicklung von Basisaktivitäten in den Gewerkschaften und
Gemeinden und andere Formen von Selbsttätigkeit die Mittel geschaffen,
um Forderungen aufzustellen und sie durchzusetzen, ohne dass man dabei
in erster Linie davon abhängig ist, parlamentarische Repräsentanten
zu wählen oder Druck auf sie auszuüben. Diese Art des »Do-it-yourself«-Reformismus
hat mitgeholfen, die Verbindung der Arbeitenden zu »ihren« Parteien
zu lösen. Diese Loslösung
wurde durch den zweiten wesentlichen Faktor beim Niedergang des
Reformismus verstärkt, nämlich durch den kleiner gewordenen
Spielraum für Reformen. Die vergangenen dreißig Jahre
kapitalistischer Krise und neoliberaler Umstrukturierung haben Welle
auf Welle von Angriffen auf die während des langen Booms der 50er und
60er Jahre oder noch früher errungenen Reformen ausgelöst. Gefangen
zwischen dem Druck von oben und dem von unten, von den Bossen und von
ihrer proletarischen Basis, haben die sozialdemokratischen Parteien im
Amt sich dem Kapital unterworfen und ihre zunehmend moderaten
Reformprogramme im Namen von Haushaltseinsparungen und Wettbewerb
aufgegeben. Dies war das Schicksal der britischen Labour-Regierungen
in den 60er und 70er Jahren und der langen und zunehmend zynischen und
korrupten Präsidentschaft Mitterrands in Frankreich zwischen 1981 und
1994. Die jüngeren
Kohorten sozialdemokratischer Regierungen in Europa, die in den späten
90er Jahren durch eine Welle der Rebellion gegen die Erfahrung des
Thatcherismus in Großbritannien und seine Verallgemeinerung mittels
der Europäischen Währungsunion auf dem Kontinent ins Amt gekommen
sind, repräsentieren ein weiteres Stadium dieses Prozesses, bei dem
der Begriff »Reform« vollständig seiner Bedeutung beraubt wurde und
nun gewöhnlich für noch mehr neoliberale Maßnahmen verwendet wird.
Welcher Schaden dies für die Sozialdemokraten selbst bedeutet, zeigte
sich bei den französischen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen
von April 2002, als die traditionellen Stimmen für die PS und die mit
ihr verbündete KP zu einem großen Teil nach links zu den
trotzkistischen Kandidaten und nach rechts zum Faschisten Le Pen
flossen, was dem von Skandalen diskreditierten Gaullisten Chirac ermöglichte,
mit dem Bonus einer breiten parlamentarischen Mehrheit sein Amt zu
behalten. Die
Sozialdemokratie ist unleugbar im Niedergang begriffen. Dies ist
jedoch nicht dasselbe wie ihre »Verbürgerlichung«. Lenin
charakterisierte die Labour Party und ihresgleichen als bürgerliche
Arbeiterparteien. Sie sind, in anderen Worten, Parteien, die den
Widerstand der Arbeitenden gegen den Kapitalismus zum Ausdruck bringen
und versuchen, diesen Widerstand im Rahmen des Systems zu halten.
Diese widersprüchliche Funktion hängt ab von der Rolle der
Gewerkschaftsbürokratie, die als Bindeglied zwischen der
parlamentarischen Führung der sozialdemokratischen Partei und der
organisierten Arbeiterklasse fungiert. Die Bürokratie selbst belegt
eine zweideutige Position, indem sie als eine besondere soziale
Schicht operiert, deren Interessen von ihrer Fähigkeit abhängen,
Kompromisse zwischen Kapital und Arbeit zu erkämpfen und somit zu
verhindern, dass sich die Kämpfe der Arbeitenden zu einem Kampf gegen
das System entwickeln. Vereinfacht gesagt, ist die Sozialdemokratie
der politische Ausdruck der Gewerkschaftsbürokratie. Dieses Verhältnis
liefert einen Puffer, der die parlamentarische Führung vor dem Druck
der Basis abschirmt, und setzt ihrer Manövrierfreiheit in der bürgerlichen
politischen Arena gleichzeitig Grenzen.14 Vor dem
Hintergrund der marxistischen Analyse des Reformismus und der
Gewerkschaftsbürokratie bedeutet die Behauptung, dass die
Sozialdemokratie verbürgerlicht ist, dass sie sich von der
Verankerung in der organisierten Arbeiterklasse, die ihr die
Verbindung mit der Gewerkschaftsbürokratie eingebracht hat, gelöst
hat. Dies ist zweifellos das eifrig angestrebte Resultat des rechten
Flügels der aktuellen sozialdemokratischen Führungen, der vor allem
von Tony Blair und anderen Ideologen des Dritten Weges, deren Modell
Bill Clintons »New Democrat« lieferte, repräsentiert wird. Doch
selbst Blair ist es nicht gelungen, dieses Ziel zu erreichen. Die
Wahlkampagnen von Labour 1997 und 2001 hingen entscheidend von den
Finanzen und dem Personal der Gewerkschaften ab. Gegenwärtig versucht
eine Parteiführung in Geldnot die angeschlossenen Gewerkschaften dazu
zu bewegen, ihre finanzielle Unterstützung für Labour zu verstärken.
Auch ist dies kein Prozess in nur einer Richtung. Blairs verzweifelte
Bemühungen, George Bush zu überzeugen, dass dieser die UNO als
Feigenblatt für den Krieg gegen den Irak benutzt, widerspiegelt das
Ausmaß der Opposition gegen den Krieg in der Arbeiterbewegung, was
vor allem auf der Labour-Konferenz im Oktober 2002 zum Ausdruck kam,
als ein antiimperialistischer Abänderungsantrag 40% der Stimmen,
hauptsächlich von angeschlossenen Gewerkschaften, erhielt. Im übrigen Europa
hat die Arbeiterbewegung nie solche schweren Niederlagen erlitten wie
in Großbritannien unter Thatcher. Angesichts im Allgemeinen nicht so
eingeschüchterter Gewerkschaften haben die Sozialdemokraten auf dem
Kontinent bei all ihren Fehlschlägen im Amt manövriert, um ihre
Basis zu halten. Lionel Jospin in Frankreich kultivierte sorgfältig
eine sozialistische Rhetorik, die mit seiner neoliberalen Politik
dramatisch im Widerspruch stand. Es ist denkbar, dass seine
Entscheidung, diese Heuchelei aufzugeben und sich offener auf das
Terrain bürgerlicher Politik zu begeben, ihm die Demütigung beim
ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen im April 2002 eingebracht
hat. Noch eindeutiger ist das Beispiel des ultraopportunistischen
Gerhard Schröder, der mit der robustesten Arbeiterbewegung und mit
der am nachhaltigsten proletarischen reformistischen Partei in Europa
konfrontiert ist. Schröder hat zusammen mit Blair ein klassisches
Dokument des Dritten Weges unterzeichnet, aber bankrotte Firmen
gerettet; er hat deutsche Firmen gegenüber Finanzspekulationen angelsäschsischen
Stils geöffnet, aber der von den Unternehmern geforderten »Flexibilität«
auf dem Arbeitsmarkt nur zögerlich entsprochen; er hat sich 1999
bereitwillig an der Bombardierung Jugoslawiens durch die NATO
beteiligt, aber 2002 auf der Grundlage der Gegnerschaft zum Krieg im
Irak seine Wiederwahl knapp erreicht. Die Verbindungen
zwischen der Sozialdemokratie und der organisierten Arbeiterklasse
haben sich während der vergangenen Generation eindeutig gelockert,
aber sie sind nicht zerbrochen. Die Lockerung ist bedeutsam:
Einerseits vergrößert sie den Spielraum für Führungsmannschaften,
die eng mit den Medien und dem Großkapital verbunden sind;
andererseits erweitert sie den Raum für die Entwicklung von
Alternativen links von der Sozialdemokratie. Aber die verbleibenden
Verbindungen sind auch bedeutsam: jedes alternative Projekt, das auf
dem Glauben basiert, dass der Reformismus am Ende ist, wird in ein gefährliches
Fahrwasser geraten. Ein Grund, warum
dieser Glaube gefährlich ist, liegt in der Tatsache, dass der
Reformismus mehr umfasst als die organisierten sozialdemokratischen
Parteien. Der Reformismus – im Sinne einer organisierten politischen
Bewegung, die eine graduelle Verbesserung des Kapitalismus anstrebt
und nicht die revolutionäre Veränderung der Gesellschaft – hat
seinen Ursprung in den materiellen Bedingungen, unter denen die
Arbeiterklasse im Kapitalismus lebt, und besonders in der Weise, in
der diese Bedingungen (insbesondere die von der kapitalistischen Ökonomie
hervorgerufene Fragmentierung und Passivität) die Arbeitenden dazu
bringen, selbst wenn sie sich in einem Kampf befinden, an ihrer Fähigkeit
zu zweifeln, die Kontrolle über die Gesellschaft zu übernehmen.
Dieser Mangel an Selbstvertrauen kann nur durch lang andauernde
Klassenschlachten und das aktive Eingreiffen organisierter Revolutionäre
durchbrochen werden. Die Niederlage des Reformismus vollzieht sich
nicht automatisch. Darüber hinaus
kann reformistisches Bewusstsein auch dort vorhanden sein, wo es keine
sozialdemokratische Partei gibt. Dies gilt seit langem für die USA,
wo eine Art »Bastard-Sozialdemokratie« innerhalb der Gewerkschaften
geholfen hat, viele Arbeiter an eine unbestreitbar vollkommen bürgerliche
Partei, die Demokratische Partei, zu binden. Versionen des Reformismus
können sich auch innerhalb militanter Massenbewegungen entwickeln.
Dies ist eindeutig innerhalb der antikapitalistischen Bewegung in
Europa der Fall, wo Attac in Frankreich als zunehmend deutlich
konturierter rechter Flügel entstanden ist, der die durch den
Neoliberalismus hervorgerufenen Übel durch die Stärkung des
Nationalstaats und die Reform der Europäischen Union loszuwerden
bestrebt ist und sich dabei den Bemühungen, die Bewegung gegen Bushs
Kriegskurs zu mobilisieren, widersetzt. Dies sollte niemanden überraschen,
der seinen Lenin nicht vergessen hat: Wenn schon die Arbeiterklasse
nicht spontan zu revolutionärem Bewusstsein strebt, warum sollten
dies losere und amorphere soziale Bewegungen tun? Modelle der
Umgruppierung Die Hartnäckigkeit
des Reformismus in organisierter wie nichtorganisierter Form hat zwei
bedeutende politische Konsequenzen. Erstens folgt daraus, dass eine
bedeutende strategische Aufgabe der radikalen Linken darin besteht,
die proletarische Basis der sozialdemokratischen Parteien zu gewinnen.
Das von der Kommunistischen Internationale in ihren frühen Jahren
geschmiedete entscheidende Werkzeug – die Einheitsfronttaktik –
behält ihre historische Bedeutung, wenngleich Einheitsfronten heute
oft neue Formen annehmen. Die Erfahrung der gemeinsamen Praxis im
Kampf für Forderungen und durch organisatorische Formen, an denen
sich verschiedene politische Kräfte beteiligen können, ist
wesentlich, wenn diejenigen, die gegenwärtig von der Sozialdemokratie
beeinflusst sind, für ein revolutionäres Programm gewonnen werden
sollen.15 Zweitens bleibt auch die klassische Unterscheidung zwischen
Reform und Revolution – wie sie Luxemburg und Lenin in der Ära der
II. und III.Internationale gemacht haben – von entscheidender
Bedeutung. Wenn historische Prozesse nicht automatisch die
Sozialdemokratie überwinden, wird eine politische Intervention und
Auseinandersetzung erforderlich sein, um den Einfluss des Reformismus
sowohl in der organisierten Arbeiterklasse als auch in der
antikapitalistischen und Antikriegsbewegung zu schwächen. Eine Partei,
die bestrebt ist, den Arbeitenden einen Ausweg aus der Sackgasse der
Sozialdemokratie zu weisen, kann dies nur tun, wenn ihr Programm und
ihre Praxis auf einer revolutionären Kritik des Reformismus basiert. Diese Überlegungen
bieten einen Rahmen, in dem man die Frage der Umgruppierung angehen
kann. Derzeit gibt es international drei Konzeptionen auf der Linken. Das erste Konzept
wird von Rifondazione Comunista in Italien verfochten und spiegelt die
politisch unklare Entwicklung der PRC wider. Die Führung der PRC
scheint zu versuchen, die wichtigsten überlebenden Kommunistischen
Parteien in Europa, die führenden Organisationen der revolutionären
Linken sowie die parteilosen Elemente innerhalb der
antikapitalistischen Bewegung zusammen zu bringen. Es gibt zwei
Schwierigkeiten bei diesem Herangehen. Zu allererst ist die PRC eine
Ausnahme unter den europäischen KPs, da sie sich in den letzten
Jahren deutlich nach links bewegt hat. Die Sackgasse der Französischen
Kommunistischen Partei (PCF) ist dramatischer Ausdruck einer anderen
Entwicklung. Sie beteiligte sich an Jospins Koalition der »pluralen
Linken«; ihre Minister dienten in einer Regierung, die daheim eine
neoliberale Politik durchsetzte und international dabei half, 1999 in
Jugoslawien und 2001 in Afghanistan Krieg zu führen. Durch die bei
den Wahlen 2002 erlittene drastische Bestrafung (die sie härter traf
als die anderen Bestandteile der »pluralen Linken«) in die
Opposition gezwungen, versucht die PCF nun ihre linke Glaubwürdigkeit
durch ihre Opposition gegen den Irakkrieg wiederzuerlangen. Trotzdem
deutet diese unappetitliche Geschichte darauf hin, dass, wenngleich
wir unsere Netze weit auswerfen, wenn wir die »radikale Linke«
definieren, die Überlebenden des historischen Stalinismus im Ganzen
keine nützlichen Partner sind. Die PRC ist
deshalb ein besonderer Fall unter den europäischen KPs. Ihr
entschiedener Linksruck seit der Zeit, als sie 1998 die erste
Mitte-Links-Koalition des Olivenbaums zu Fall brachte, war eine äußerst
begrüßenswerte Entwicklung. Trotzdem gibt es problematische Elemente
bei ihrem Herangehen an den Parteiaufbau. In theoretischer Hinsicht
ist die PRC extrem eklektisch, was den dramatischen Niedergang der
marxistischen Kultur in Italien seit dem Zusammenbruch der revolutionären
Linken Ende der 70er Jahre widerspiegelt. Insbesondere hat sie große
Brocken jenes autonomistischen Marxismus unkritisch geschluckt, wie
ihn für die gegenwärtige Ära Michael Hardt und Toni Negri mit ihrem
berühmten Buch Empire ausdrücken. Es liegt etwas Paradoxes in einer
Arbeitermassenpartei, die eine linke Theorie an Bord holt, die sowohl
gegenüber der organisierten Arbeiterbewegung wie gegenüber dem
Parteiaufbau feindselig eingestellt ist.16 Darüber hinaus
hat die PRC aus ihrer Vergangenheit ein Parteikonzept bewahrt, das die
Partei mit der Bewegung gleichsetzt – ein Konzept, das sowohl dem
Stalinismus als auch der Sozialdemokratie eigen ist und das im
radikalen Gegensatz zu Lenins Herangehen steht, bei dem deutlich
zwischen Partei und Klasse unterschieden wird und die Partei als der
selbstbewusste Teil der Arbeiterklasse konzipiert ist, der sich
organisiert, um die Mehrheit zu gewinnen.17 Folglich neigt die PRC
dazu, der politischen Heterogenität der antikapitalistischen Bewegung
nicht entgegenzutreten, und erkennt daher nicht die Bedeutung des
Aufbaus von Einheitsfronten unter den verschiedenen Strömungen sowie
des ideologischen Kampfes für ein revolutionär-marxistisches
Herangehen innerhalb der Bewegung. Das zweite
Umgruppierungskonzept wird vom ISM und seinen internationalen Verbündeten
verfochten. Dabei wird die SSP als Modell für den heutigen
Parteiaufbau präsentiert. In der insbesondere von Murray Smith
verteidigten Version ist die SSP eine breite oder »strategisch nicht
begrenzte« Partei in dem Sinne, dass die Frage von Reform und
Revolution offen gelassen wird. Die Rechtfertigung für dieses
Herangehen ist das angebliche Verschwinden des Reformismus – die
oben kritisierte Idee der »Verbürgerlichung der Sozialdemokratie«.18
Smith macht viel Aufhebens von der Vorstellung, dass die SWP, indem
sie dieses Modell kritisiert, die SSP des Zentrismus beschuldigt, eine
wesentliche Invektive im Wörterbuch der revolutionären Polemik: »Wir sollten eine
Partei konkret definieren, durch die Rolle, die sie in Bezug auf die
grundlegenden Klassen der Gesellschaft und in Bezug auf den Staat
spielt. Eine zentristische Partei ist eine Partei, die zwischen
Reformismus und revolutionärer Politik hin und her schwankt. Tut dies
die SSP? Die Realität sieht so aus, dass die SSP Propaganda und
Agitation in der Arbeiterklasse durchführt und dabei alle Fragen
aufgreift, mit denen die Arbeiterklasse auf nationaler und
internationaler Ebene konfrontiert ist, und eine sozialistische
Alternative präsentiert. Zweifellos weist die Partei Schwächen auf,
aber es gibt keine Anzeichen von Schwankungen oder der Unterordnung
unter andere politische Kräfte.«19 Tatsächlich
betrachtet die SWP die SSP nicht als zentristische Partei. Ihre Anhänger
organisieren sich loyal in der SSP als Mitglieder der Socialist Worker
Platform. Die SSP hat zweifellos nicht geschwankt, wenn sie mit einem
bedeutenderen Test konfrontiert war, wie es vor allem Bushs Kriegskurs
war. Dies spiegelt die Tatsache wider, dass sie eine Partei ist, die
von ernsthaften Revolutionären geführt wird. Doch der SSP-Führung
die Ehre zu erweisen, die ihr gebührt, ist nicht dasselbe wie zu
akzeptieren, dass sie nun den Stein der Weisen für den Parteiaufbau
gefunden hätte. Bereits die kurze Geschichte der SSP hat ein
Schlaglicht auf einige Schwierigkeiten geworfen, die mit dem Modell
der »strategischen Nichtbegrenzung« verbunden sind. Zwei ragen
besonders hervor. Erstens führt der
Glaube, dass der Reformismus tot sei, zum Gegenteil von Opportunismus,
zu einer sektiererischen Haltung gegenüber der Labour Party.
Angesichts der Prämissen des ISM ist dies vollkommen logisch: Wenn
Labour nur irgendeine bürgerliche Partei ist, warum sollte man sie
anders behandeln als die übrigen bürgerlichen Parteien, die Tories,
die schottischen Nationalisten und die Liberaldemokraten? Aber Labour
ist anders, da sie dank ihrer Linken und dank der Gewerkschaftsführer
noch immer über die Loyalität der Masse der organisierten Arbeiter
verfügt. Das Versäumnis, dies zu begreifen, führt zu verpassten
Gelegenheiten beim Aufbau von Einheitsfronten, die fähig sind, in die
Kernanhängerschaft von Labour einzudringen. Die SSP hat eine Reihe
besonders dummer Angriffe gegen George Galloway lanciert, einen
schottischen Labour-MP, der einer der standhaftesten Führer des
antiimperialistischen Flügels der Antikriegsbewegung in Großbritannien
war. Das Problem mit einem triumphalistischen Konzept der SSP besteht
darin, dass es eine unnötige Isolierung innerhalb der organisierten
Arbeiterklasse in Schottland hervorrufen kann. Zweitens kann eine
Unterschätzung des Reformismus paradoxerweise zu dem Versuch führen,
den gesamten Raum zu füllen, den er angeblich hinterlassen hat. Die
SSP-Führung scheint zu glauben, dass der Tod der Sozialdemokratie
bedeutet, dass die Agitation für elementare ökonomische Forderungen
automatisch eine radikalisierende Dynamik aufweist. Dies kann zu einem
engstirnigen Ökonomismus führen, der bspw. in der Tendenz einiger
Mitglieder der Führung zum Ausdruck kommt, die Wahlagitation für von
der Partei zur Priorität erhobene ökonomische Forderungen (z.B.
freie Schulspeisung) dem Aufbau der Antikriegsbewegung
entgegenzusetzen. Selbstverständlich sind ökonomische Forderungen
von Bedeutung, aber im gegenwärtigen Klima in Europa wäre es ein
schrecklicher Fehler zu versuchen, sie künstlich von der
umfassenderen politischen Agitation zu trennen. In Großbritannien
bspw. ist eine echte »klassenkämpferische Linke« in der
Gewerkschaftsbürokratie entstanden, die bereit ist, sowohl dem Krieg
im Irak auf prinzipieller Basis entgegenzutreten als auch Blairs
neoliberale Wirtschaftspolitik in Frage zu stellen (wenngleich einige
von ihnen, z.B. Andy Gilchrist von der Gewerkschaft der Feuerwehrleute,
weiterhin entschieden an Labour festhalten). Es wäre traurig, würden
Revolutionäre hinter linken Reformisten zurückbleiben und Ökonomie
und Politik trennen. All dies bedeutet
keineswegs, dass es unter bestimmten Umständen nicht angebracht wäre,
eine Partei nach dem Modell der »strategischen Nichtbegrenzung«
aufzubauen, die eine Stellungnahme zu Reform und Revolution vermeidet.
Falls z.B. ein bedeutender Teil der linken Gewerkschaftsbürokratie
mit einer bedeutenden Anhängerschaft an der Basis mit Labour bricht
und eine neue Partei zu gründen versucht, vielleicht auf einem
relativ expliziten reformistischen Programm, muss jede ernsthafte
revolutionäre Organisation in Betracht ziehen, von Beginn bei einer
solchen Partei dabei zu sein. Aber die Erwägung eines solchen
Szenarios unterstreicht, dass Parteien vom Typ der SSP nicht als
allgemeines Modell behandelt werden können, sondern nur als ein mögliches
Vehikel für den längerfristigen Prozess des Aufbaus einer revolutionären
Massenpartei. Und sicher ist es in der aktuellen Situation, die in
England und Wales überwiegt, richtig die Socialist Alliance
aufzubauen – die einige Kennzeichen einer Partei wie auch einer
Einheitsfront aufweist –, und zwar auf einem Programm, das
sozialistisch ist, aber hinter der Revolution zurückbleibt: Die
Alliance künstlich zu einer revolutionären Partei zu deklarieren würde
sie von wesentlichen Teilen des linken Flügels der Arbeiterbewegung
abschneiden, die gerade erst anfangen mit Labour zu brechen.20 Doch in
solchen breiten Koalitionen ist es wesentlich für Revolutionäre,
ihre unabhängige Organisation zu bewahren, um den Aufbau der
Koalition mit dem Ziel zu verbinden, das dieser Arbeit ihre Bedeutung
verleiht – dem Aufbau einer revolutionären Massenpartei.21 Das dritte Konzept
von Umgruppierung – das der revolutionären Umgruppierung – wird
von der SWP verteidigt. Sein Ziel ist es, all jene zusammenzubringen,
die sich mit der revolutionär-marxistischen Tradition identifizieren,
wie sie von Marx und Engels, Lenin und den Bolschewiki, Trotzki und
der Linken Opposition entwickelt und verteidigt wurde, und die heute
die Bewegung auf nichtsektiererischer Grundlage aufbauen wollen. Um zu
verdeutlichen, was dieses Konzept von Umgruppierung bedeutet,
betrachten wir die dazugehörigen Elemente. Zu allererst muss
deutlich gesagt werden, dass keine sinnvolle Umgruppierung stattfinden
kann, wenn eine Strömung darauf besteht, dass ihre Interpretation der
Tradition Grundlage der Umgruppierung sein muss. Das bedeutet nicht,
dass z.B. die SWP aufhört, die wichtigen Aspekte ihres theoretischen
Erbes zu verteidigen – z.B. die von Tony Cliff entwickelte
Interpretation des Stalinismus als bürokratischer Staatskapitalismus.
Aber es gibt andere Interpretationen des revolutionären Marxismus, über
die wir nicht einfach hinweggehen können, nur weil sie von unserer
eigenen, bspw. bei der Frage des Stalinismus, abweichen. Zum Beispiel
verteidigt Daniel Bensaïd in seinem Buch Marx l’intempestif ein
Konzept des Marxismus, das radikal nichtdeterministisch ist und die
Geschichte begreift als ein Eingreifen verschiedener Zeiten, in der
die Revolution kein unvermeidliches Resultat, sondern eine
Unterbrechung bürgerlicher Normalität ist, eine drastische
Intervention in eine Welt, die der Kapitalismus zur Katastrophe führt.
Wie Bensaïd bemerkt, ist dies eine anfechtbare Lesart der revolutionär-marxistischen
Tradition, die, so könnte man hinzufügen, in keiner Weise die
Analyse der UdSSR als eines degenerierten Arbeiterstaats impliziert,
die lange die offizielle Position der IV.Internationale war, zu deren
Führung Bensaïd gehört. Anders ausgedrückt
gibt es mehr als einen Weg, die revolutionär-marxistische Tradition
fortzusetzen. Aber der Marxismus, bemerkt auch Bensaïd, ist »die
Theorie einer Praxis, die offen ist für verschiedene Lesarten.
Allerdings nicht für alle Lesarten: Nicht alles ist im Namen freier
Interpretation zulässig; nicht alles ist gültig.«22 Der revolutionäre
Marxismus hat sich als Antwort auf eine Reihe großer Krisen in der
Arbeiterbewegung entwickelt, darunter insbesondere den Zusammenbruch
der drei Internationalen, der jeweils eine Reihe von Entscheidungen
bot: zwischen Marx und Bakunin, Lenin und Kautsky, Trotzki und Stalin.
Wahrscheinlich ist heute keine Version des revolutionären Marxismus
von irgendeinem Nutzen, die nicht in gewisser Hinsicht Trotzkis Kritik
des Stalinismus in sich aufgenommen hat – nicht nur die soziale
Interpretation des Stalin-Regimes, die es als ein materielles Phänomen
und nicht nur als ideologische Abweichung behandelt, sondern auch die
Theorie der permanenten Revolution und die Kritik der
Volksfrontpolitik, wesentliche Instrumente, die, wenn sie aufgegriffen
worden wären, hätten helfen können, eine Reihe verheerender
Niederlagen zu vermeiden, als die Bewegung der Chimäre einer »national-demokratischen
Revolution« nachjagte: China 1925–27, Spanien 1936–39, Irak
1958–62, Indonesien 1965/66, Iran 1978/79. Eine Analyse des Triumphs
des Neoliberalismus im Südafrika nach dem Ende der Apartheid – was
natürlich keine welthistorische Niederlage war, aber nach den großen
Arbeiterkämpfen der 80er Jahre eine verschwendete Gelegenheit – würde
zeigen, dass ihre Wurzeln auch in den Bemühungen der Führung des ANC
und der südafrikanischen KP lagen, den Kampf für nationale Befreiung
vom Kampf für den Sozialismus zu trennen.23 Die Theorie der
permanenten Revolution ist natürlich nicht das Eigentum irgendeiner
besonderen Strömung, wenngleich es verschiedene Lesarten von ihr gibt.
Wesentlich für eine dauerhafte Umgruppierung ist nicht bloß eine
gemeinsame Bindung an die revolutionäre Tradition, deren Teil diese
Theorie ist, sondern ein nichtsektiererisches Herangehen an den Aufbau
einer antikapitalistischen Bewegung. Man sollte nicht vergessen, dass
es einflussreiche sektiererische Versionen des Trotzkismus gibt, denen
trotz ihrer sonstigen Divergenzen die Neigung gemeinsam ist, mit den
Differenzen gegenüber dem Rest der Bewegung zu beginnen. Diese
Haltung findet man bei Gruppen, die aus der orthodoxen Tradition des
Trotzkismus stammen – z.B. bei der Hauptmasse der extremen Linken in
Argentinien –, und leider auch bei mindestens einer Organisation aus
der IS-Tradition – der International Socialist Organization in den
USA.24 Eine Gemeinsamkeit
zwischen der IST und der IV.Internationale ist ihr Engagement beim
Aufbau der Bewegung gegen den globalen Kapitalismus, wenngleich es
bedeutende Differenzen zwischen ihnen bezüglich der genauen Bilanz
zwischen Einheitsfrontarbeit und Parteiaufbau innerhalb der breiteren
Bewegung bestehen. Die Genossen der IV.Internationale sind im Ganzen
deutlich vorsichtiger als wir, wenn es darum geht, innerhalb der
Bewegung politische Auseinandersetzungen zu fördern – die Differenz
ist vielleicht am wichtigsten bezüglich der zentralen Rolle, die der
Kriegskurs der USA für die Zukunft des Kampfes gegen die
kapitalistische Globalisierung unserer Auffassung nach hat. Diese
Meinungsverschiedenheit beinhaltet unseres Erachtens ein falsches
Verständnis der Natur von Einheitsfronten. In unserer Sicht
gibt es keinen Widerspruch zwischen dem Aufbau auf der breitesten und
umfassendsten Basis und der Beteiligung an einem kameradschaftlichen
Streit mit anderen Kräften in der Bewegung. Ersteres ist im Gegenteil
die Voraussetzung für letzteres. Der Test eines nichtsektiererischen
Herangehens besteht darin, dass die Revolutionäre nicht bei dem
anfangen, was sie von anderen unterscheidet, sondern bei dem, was mit
den anderen gemein haben, und eine dynamische Strategie für den
Aufbau der Bewegung anbieten. Debatten innerhalb der Bewegung sind
wahrscheinlich am fruchtbarsten, wenn sie aus den konkreten Fragen darüber
hervorgehen, wie der Kampf zu entwickeln ist, anstatt von
sektiererischen Besserwissern aus der Luft geholt zu werden. Aber es
ist selbstzerstörerisch, Auseinandersetzungen um jeden Preis zu
vermeiden. Zur Entwicklung jeder ernsthaften Massenbewegung gehört
unvermeidlich ein Prozess der Differenzierung zwischen mehr oder
weniger radikalen Kräften. Wir erleben dies heute mit der Festigung
eines reformistischen Flügels innerhalb der antikapitalistischen
Bewegung um die Führung von Attac in Frankreich. Revolutionäre müssen
mit den Kräften rechts von ihnen arbeiten können, ohne vor ihnen zu
kapitulieren. Die Zukunft linker
Umgruppierung hängt sehr stark davon ab, wie gut die Revolutionäre
diese heikle Aufgabe angehen. Wenn sie gleichzeitig lernen, effektiver
zusammen zu arbeiten, wird der Lohn beträchtlich sein. So könnte die
wachsende Zusammenarbeit zwischen der LCR und der SWP als den führenden
europäischen Organisationen in internationalen Strömungen mit
bedeutendem Einfluss auf anderen Kontinenten (z.B. in Brasilien im
Fall der IV.Internationale und in Südkorea und Teilen Schwarzafrikas
im Fall der IST) den Beginn der Entstehung eines machtvollen
revolutionären Schwerpunkts innerhalb der Bewegung gegen den globalen
Kapitalismus kennzeichnen. Wenn dies stattfindet, so durch einen allmählichen
Prozess, zu dem sowohl freimütige politische Diskussion als auch die
Ansammlung von Erfahrung bei der praktischen Zusammenarbeit gehören,
wodurch gegenseitiges Vertrauen und der Rahmen eines gemeinsamen
politischen Verständnisses entstehen können. Der Prozess ist es wert,
dass Zeit und Sorgfalt darin investiert werden. Die revolutionären
Marxisten haben eine reale Chance, die neue Welle der sich
entwickelnden Kämpfe zunehmend zu beeinflussen. Es wäre eine Tragödie,
würden wir – durch zu langes Zögern oder durch ungeduldige
Versuche, die Ereignisse zu erzwingen – diese Gelegenheit
verstreichen lassen. Alex Callinicos
ist Dozent an der Universität York und führendes Mitglied der
Socialist Workers Party (SWP). Wir veröffentlichen den Text mit
freundlicher Genehmigung des Autors. Zuerst erschienen in: Links.
International Journal of Socialist Renewal (Sydney), Nr.23, Januar–April
2003, S.58–73 (Übersetzung: Hans-Günter Mull). Anmerkungen 1. R.Lapper, »Latin America Turns Left«, Financial Times, 29.Juli
2002. 2. R.Lapper, »US Right Scents a New ›Axis of Evil‹«, Financial
Times, 23.Oktober 2002. 3. Leider
bleibt Lutte Ouvrière, die andere führende Organisation der extremen
Linken in Europa, in einem zunehmend selbstzerstörerischen
sektiererischen Trott stecken. 4. Die
Bezeichnung dieser Bewegung als »antikapitalistisch« ist kontrovers,
und zwar aus Gründen, die manchmal die reale Unklarheit der Bewegung
widerspiegeln, die von Pierre Rousset (LCR) auf den Punkt gebracht
wurde, als er auf der Asia-Pacific International Solidarity Conference
(Ostern 2002) sagte, dass die Bewegung antikapitalistisch im Sinne der
Ablehnung des Systems ist, aber nicht im Sinne des Vorhandenseins
einer kohärenten revolutionären Perspektive für eine Alternative.
Das Etikett »Antikapitalistische Bewegung« hat den doppelten Vorteil,
ihren das System ablehnenden Charakter zu betonen und alberne
Argumente darüber zu vermeiden, ob wir für oder gegen die
Globalisierung sind, aber es sollte nicht bedeuten, dass dies eine
Bewegung ist, die aus revolutionären Marxisten besteht. 5. Was hier
kurz ausgeführt wird, wird weiter entwickelt in A.Callinicos, »Regroupment,
Realignment, and the Revolutionary Left«, IST International
Discussion Bulletin, Nr.1, Juli 2002. Dieses Bulletin enthält eine
Reihe weiterer Materialien über die Umgruppierung der extremen Linken.
Es ist verfügbar unter www.istendency.org; viele weitere hier aufgeführte
Texte der SWP sind auf derselben Webseite verfügbar oder unter
www.swp.org.uk. 6. Zur näheren
Analyse der antikapitalistischen Bewegung siehe A.Callinicos, An
Anti-Capitalist Manifesto, Cambridge 2003. 7. Siehe J.Rees, »Imperialism: Globalization, the State and War«,
International Socialism, Nr.93, 2001, und A.Callinicos, »The Grand
Strategy of the American Empire«, International Socialism, Nr.97,
2003. 8. M.Smith, »Where is the SWP Going?«, Links, Nr.23, Januar–April
2003, S.53. Scottish Militant
Labour lautete der Name, den die schottischen Anhänger der Militant
Tendency nach ihrem Bruch mit der Labour Party Anfang der 90er Jahre
annahmen. (In England und Wales wurde aus Militant die Socialist Party
[SP].) Scottish Militant Labour spaltete sich später in das ISM und
in die schottischen Anhänger der von der SP dominierten
internationalen Strömung, dem Komitee für eine
Arbeiterinternationale (CWI), die in der SSP eine getrennte Plattform
bilden. 9. J.Wolfreys, »Class Struggles in France«, International
Socialism, Nr.84, 1999. 10. E.J.Hobsbawm, Interesting Times, London 2002, S.205, 210. 11. Zur
Entwicklung der Neuen Linken in Großbritannien und den USA nach 1956
siehe D.Widgery, The Left in Britain 1956–68, Harmondsworth 1976,
und M.Isserman, If I Had a Hammer…, New York 1987. 12. Zum
Aufschwung von 1967–1976 siehe C.Harman, The Fire Last Time, London
1988. Daniel Bensaïd von der LCR hat eine bedeutende kritische Einschätzung
von den Erfahrungen beim Aufbau der IV.Internationale, besonders in
Frankreich, verfasst: Les Trotskysmes, Paris 2002. 13. Zu diesem
Prozess in Großbritannien siehe die frühe Studie von B.Hindess, The
Decline of Working-Class Politics, London 1971. 14. Siehe T.Cliff/D.Gluckstein, Marxism and Trade Union Struggle,
London 1986, und The Labour Party: A Marxist History, London 1988. 15. A.Callinicos, »Unity in Diversity«, Socialist Review, April
2002. 16. Siehe die
Kritik am autonomistischen Marxismus in A.Callinicos, »Antonio Negri
in historischer Perspektive. Empire und die Grenzen autonomer Theorie
und Praxis«, Sozialistische Hefte, Nr.1, Februar 2002, und in An
Anti-Capitalist Manifesto, a.a.O., S.80–83, 93–102, sowie A.Nimtz,
»Class Struggle under ›Empire‹: In Defence of Marx and Engels«,
International Socialism, Nr.96, 2002. 17. Siehe C.Harman, »Party and Class« (1968), nachgedruckt in
T.Cliff et al., Party and Class, London 1997. 18. Siehe zusätzlich
zu dem oben zitierten Text von Murray Smith seinen Beitrag »The LCR
and the Question of a Workers’ Party«, IST International Discussion
Bulletin, Nr.1, Juli 2002. 19. »Where is the SWP Going?«, a.a.O., S.54/55. 20. Das
Herangehen der SWP an die Socialist Alliance wird ausführlich
dargelegt von John Rees in »Anti-Capitalism, Reformism, and Socialism«,
International Socialism, Nr.90, 2001. 21. Aus dem
Obengenannten sollte deutlich sein, wie sehr sich Smith und andere Führer
des ISM irren, wenn sie die Haltung der SWP mit der der Führung des
CWI vergleichen, die wie Smith bemerkt, »Panik vor der Öffnung der
Organisation in dieser Weise hatte und sich in den Bunker zurückzog«
(»Where is the SWP Going?«, a.a.O., S.55/56). Die englische SP, der
Kern des CWI, war gegen die Bildung der SSP und verließ die Socialist
Alliance im Dezember 2001 nach einer Abstimmungsniederlage auf einer
Konferenz. Die SWP hat dagegen ihre Engagement in der Socialist
Alliance als Teil ihres Strebens nach einem breiteren Prozess
revolutionärer Umgruppierung bewiesen, dessen Ziel es ist, breitere
Schichten der Arbeiterklasse vom Reformismus loszulösen. Es ist eine
Form des Ultimatismus, all jene, die die SSP als Modell ablehnen, als
offene oder versteckte Sektierer abzutun. 22. D.Bensaïd, Marx for Our Times, London 2002, S.2. 23. Zur jüngeren Diskussion dieser Fragen siehe J.Rees, »The
Democratic Revolution and the Socialist Revolution«, International
Socialism, Nr.83, 1999. 24. A.Callinicos, The Anti-Capitalist Movement and the Revolutionary
Left, London 2001. |