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Gröbenufer wird zu May-Ayim-Ufer. Ab Herbst diesen Jahres wird es in Berlin einen neuen Straßennamen geben – das May-Ayim-Ufer an der Oberbaumbrücke. Es ist die erste Straße in Berlin, die eine postkoloniale Perspektive auf die deutsche Kolonialgeschichte eröffnet. Die Straße, die z.Z. noch als „Gröbenufer“ bezeichnet wird, wird den Namen der Berliner afro-deutschen Feministin, Erziehungswissenschaftlerin und international bekannten Dichterin May Ayim tragen, die in den 1980er Jahren in Kreuzberg lebte und arbeitete. Was ist der Hintergrund dieser Umbenennung? Die Straße wurde 1895, also zur Zeit der aktiven deutschen Kolonialpolitik, nach Otto Friedrich von der Gröben benannt, um diesen als „ersten Brandenburgischen Colonial-Gouverneurs, des Erbauers der Feste Gross-Friedrichsburg an der Küste von Guinea“ (so die Begründung in dem Schreiben des Ministers, der die Umbenennung gefordert hat) zu verehren. Dieser war über 200 Jahre vorher 1682 als Befehlshaber von zwei Fregatten im Auftrag des Kurfürsten an die Westküste des heutigen Ghana aufgebrochen. Da die Schiffe bereits 2000 eiserne Fußfesseln an Bord hatten, kann dieser Moment als Einstieg Brandenburg-Preußens in den transatlantischen Sklav/Innenhandel gelten. Ziel war es, eine Handelsfestung zu etablieren, von der in den folgenden 33 Jahren zehntausende Menschen verschleppt wurden. Gröben fuhr bei dieser ersten Fahrt mit einer Fregatte nach Europa zurück, während die zweite Fregatte 300 versklavte Afrikaner/Innen zu den westindischen Inseln über den Atlantik deportierte. Es gab zu jeder Zeit auch Widerstand gegen die Kolonialist/Innen und Sklav/Innenhändler/Innen. Die Umbenennungsinitiative hat sich für eine Perspektive des Widerstands gegen Rassismus entschieden. May Ayim schrieb als eine der ersten Autor/Innen eine afro-deutsche Geschichte, die bis ins 12. Jahrhundert zurück geht, und verknüpfte diese mit deutscher Kolonialgeschichte. Mit dem Begriff „koloniales Erbe“ beschrieb sie die über das formale Ende der Kolonialzeit hinaus reichenden Auswirkungen kolonialer Ordnungen, die sich auch im Rassismus der gegenwärtigen Gesellschaft ausdrücken. Ihre Schriften und Gedichte sind intensive Auseinandersetzungen mit dem Rassismus der deutschen Gesellschaft aus Schwarzer feministischer Perspektive (siehe Gedicht nächste Seite „grenzenlos und unverschämt“). Sie war eine international bekannte Aktivistin der feministischen und afro-deutschen Bewegung, nach der auch der erste Schwarze deutsche internationale Literaturpreis benannt wurde.
Letztes Jahr wurde in der BVV Kreuzberg-Friedrichshain der Antrag zur
Umbenennung des Gröben-Ufers in May-Ayim-Ufer eingereicht, dem längere
Kämpfe um antirassistische Erinnerungsperspektiven auf koloniale
Verbrechen vorausgingen. Nach einem langen zähen Verfahren durch
verschiedene Gremien der BVV wurde am 27.05.2009 durch das bestehende
Mehrheitsverhältnis von Grünen und Linken die Umbenennung beschlossen.
Die Fraktionen der CDU, FDP und auch einige Abgeordnete der SPD waren
dagegen. In den vorhergehenden Diskussionen und der abschließenden
Sitzung klagte die CDU über Rufschädigung von der Gröbens und nahm seine
Taten in Schutz, indem sie argumentierte, dass die Benennung dem „Geist
der Zeit“ entsprach. Der von der CDU ironisch gemeinte Vorschlag, auch
den Kurfürstendamm umzubenennen, wurde von dem Publikum, das die
Erinnerungskämpfe z.T. schon länger führt, mit Applaus begrüßt. Auch der
Versuch, May Ayim als neue Namensgeberin abzuwehren, indem ihr
„Kreuzbergbezug“, den von der Gröben selbstverständlich auch nicht
hatte, und ihre akademischen Abschlüsse in Zweifel gezogen wurden, blieb
vergeblich. So wird die Umbenennung vermutlich im Oktober stattfinden.
Die Umbenennung vollzieht einen Perspektivwechsel, der die Erinnerung an
deutschen Kolonialismus aus der Perspektive der Kämpfe dagegen sichtbar
macht. Neben der Umbenennung wird es eine permanente Tafel in der Straße
geben, die auf den alten Namen und dessen kolonialen Entstehungskontext
verweist und gleichzeitig mit der Vorstellung der Persönlichkeit May
Ayims diese Perspektivumkehr formuliert. Das Gröbenufer ist nicht die
einzige Straße in Berlin, die das Gedenken an den deutschen
Kolonialismus feiert. Seit vielen Jahren gibt es verschiedene
Initiativen, um die rassistische und Kolonialverbrechen verherrlichende
Straßennamen, wie die Mohren-Straße
in Mitte oder die Wissmannstraße in Neuköln, endlich umzubenennen. Aus
Schwarzer deutscher und afrikanischer Perspektive sowie aus verschieden
anderen kritischen Perspektiven werden diese Umbenennungen gefordert.
Das May-Ayim-Ufer in Kreuzberg ist ein guter Anfang, den vielen
Perspektiven der Berliner/Innen gerecht zu werden.
Schaschy Janet Keim, Noemi Yoko Molitor, Ulrike Hamann Zum Weiterlesen: Oguntoye, Katharina, Ayim (Opitz), May, Schultz, Dagmar (Hg.). Farbe bekennen: Afro-deutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte, Berlin 1986, Orlanda Frauenverlag;
May Ayim, Grenzenlos und unverschämt, Berlin: Orlanda Verlag 1997
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