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1967
2. 6.
Nachdem schon-am 30.5.-in Münschen 1500 deutsche und persische
Studenten gegen den Besuch des Schahs demonstriert und - am i.
6. - Bahman Nirumand auf einem Teach-in im Audimax der FU vor
über 3000 Studenten das diktatorische Schah-Regime in seinem
Heimatland Persien analysiert hatte, demonstrieren 2000
Studenten und Schüler vor dem Schöneberger Rathaus. Als beim
Eintreffen des Schahs Rauchkerzen und Eier fliegen, prügeln
schahfreundliche «Jubelperser» mit Stahlrohren auf die
Demonstranten ein. Bei einer zweiten Manifestation am Abend vor
der Deutschen Oper kommt es zu schweren Auseinandersetzungen mit
der Polizei, die mit zivilen Greiftrupps flüchtende Studenten
einzufangen versucht. Dabei wird der 26jährige Student Benno
Ohnesorg auf einem Parkhof von dem Kriminalobermeister Kurras
von hinten erschossen. Obwohl die Polizei den «Todesfall»
zunächst zu vertuschen versucht und ein generelles
Demonstrationsverbot - auch auf dem Campus - vom Senat erlassen
wird, treffen sich einen Tag später 6000 Studenten auf dem
Gelände der FU und diskutieren über den Mord und den «nicht
erklärten Notstand» in Berlin. Der Tod Benno Ohnesorgs hat
inzwischen eine Welle der Empörung an allen bundesdeutschen
Universitäten ausgelöst; fast überall werden
Solidaritäts-Resolutionen verfaßt und Trauerkundgebungen
veranstaltet. Am 8. 6. wird der Sarg nach einer Trauerrede des
Theologieprofessors Helmut Gollwitzer vor 15000 Menschen in
einem Fahrzeugkonvoi von Berlin nach Hannover überführt. Dort
findet einen Tag später nach der Beerdigung Benno Ohnesorgs
unter Beteiligung von 5000 Studenten und Dozenten aus allen
Teilen der Bundesrepublik der Kongreß «Hochschule und Demokratie
- Bedingungen und Organisation des Widerstands» statt, auf dem
der Frankfurter Soziologieprofessor Jürgen Habermas erstmals
seinen Linksfaschismusvorwurf gegenüber Rudi Dutschke und dem
SDS erhebt.
5.-10. 6.
Der dritte israelisch-arabische Krieg endet mit der Okkupation
der Sinai-Halbinsel und Teilen von Jordanien - unter anderem der
Altstadt Jerusalems - durch die Israelis.
18. 6.
Nachdem es schon - am 26. 2. - in Frankfurt zu einer nationalen
Schülerkonferenz gekommen war, gründen Vertreter von
Schülergruppen aus 26 Städten der gesamten Bundesrepublik mit
Unterstützung des SDS das Aktionszentrum unabhängiger und
sozialistischer Schüler (AUSS).
22. 6.
Im Wohnheim der ESG Berlin treten 100 Studenten für ihren
inhaftierten Kommilitonen Fritz Teufel in einen Hungerstreik.
Erst nach einer Welle von Protesten wird der Kommunarde - am 10.
8. - aus der Untersuchungshaft entlassen.
23. 6.
In Los Angeles löst die Polizei ein peace-in auf,
zu dem sich 15000 peaceniks in
einem Park versammelt haben. 100 Jugendliche werden nach dem
brutalen Einschreiten mit schweren, 1300 mit leichten
Verletzungen in die Krankenhäuser der Umgebung eingeliefert.
12.-17. 7.
Nachdem es schon in den beiden vorhergehenden Sommern zu
vereinzelten Negeraufständen in den Gettos von Los Angeles und
Cleveland gekommen war, löst eine massenhafte Revolte in Newark,
bei der es durch den Einsatz von 4000 Polizisten und
Nationalgardisten zu 27 Todesopfern und 1100 Verletzten kommt,
eine wahre Kettenreaktion in mehr als 100 amerikanischen Städten
aus. Als sich daraufhin - vom 20. bis 24. 7. - über 1000
Delegierte zu einer Black Power-Konferenz in Newark treffen, um
Boykott- und Widerstandsmaßnahmen zu beschließen, bricht am
letzten Tag der Konferenz erneut eine schwere Revolte - diesmal
in der Automobilstadt Detroit - aus. Unter dem Einsatz von
Rauchbomben, Nervengas, Panzern und Hubschrauberstaffeln
schlagen 16000 Uniformierte den mehrtägigen Aufstand nieder. 41
Farbige werden getötet, 2000 verletzt und über 4000 verhaftet;
der Sachschaden wird über 2 Milliarden DM geschätzt. Trotz einer
aussichtslosen militärischen Lage haben in Newark und Detroit
zum erstenmal organisierte Stadtguerilla-Gruppen der Black
Panther in den Kampf eingegriffen.
7. 7.
Als der Frankfurter Philosophieprofessor Theodor W. Adorno bei
seinem Vortrag über Goethes Iphigenie trotz der Ermordung Benno
Ohnesorgs nicht zu einer politischen Diskussion bereit ist,
entrollen Kommunarden Spruchbänder mit der Aufschrift «Berlins
linke Faschisten grüßen Teddy den Klassizisten». Am Ende des
Vertrags scheitert der Versuch einer Studentin, Adorno einen
aufgeblasenen roten Gummi-Teddy zu überreichen, weil er ihr von
einem anderen Studenten aus der Hand geschlagen wird.
9. 7.
In der japanischen Stadt Sunagawa demonstrieren 6000 Studenten
mit über 40000 Arbeitern gegen die Ausdehnung eines US-Luftstützpunktes,
der als Nachschubbasis für den Vietnam-Krieg dienen soll.
2. 8.
Provos veranstalten im New Yorker Tompkins Square Park ein
öffentliches smoke-in, bei
dem unter den Augen der Polizei über 4000 Jugendliche drei Kilo
Marihuana verbrauchen.
19. 8.
Während einer amerikanischen Militärparade in Berlin werden
Studenten, die gegen den Vietnam-Krieg protestieren, von
Zuschauern verprügelt.
8. 9.
Während der SDS -Delegiertenkonferenz in Frankfurt versucht eine
Teilnehmergruppe eine gleichzeitig stattfindende Vietnam-Debatte
im Amerikahaus zu sprengen.
6.10.
Um gegen das in den Massenmedien angekündigte, vermeintliche
Ende der Hippie-Bewegung und ihre Vermarktung in den «Flower
Power»-Kommerz zu protestieren, bilden Tausende San Franciscoer
Hippies einen Trauerzug und verbrennen symbolisch einen mit
Ketten, Drogen, Kleidern und Blumen gefüllten Sarg im Buena
Vista Park.
8.10.
Die Tagung der Gruppe 47 in Pulvermühle beschließt nach einem go-in von
Studenten den Boykott des Springer-Konzerns.
9.10.
Nachdem Che Guevara am Vortag in einem Partisanenlager im
bolivianischen Dschungel verwundet gefangengenommen werden
konnte, ermorden ihn von Amerikanern ausgebildete Rangers und
stellen seinen Leichnam in Valle Grande zur Schau. Mit der
baldigen Aufreibung der restlichen Guerillagruppe scheitert der
Versuch, den revolutionären Aurstand von Kuba auf das
lateinamerikanische Festland überspringen zulassen.
18.10.
Während der Frankfurter Buchmesse finden mehrere Demonstrationen
gegen Stände des Springer-Konzerns und Griechenlands statt.
21.10.
In Washington belagern 250000 Demonstranten aus Protest gegen
den Vietnam-Krieg das Pentagon. Die Regierung setzt gegen sie
rund 10000 Polizisten, Nationalgardisten und Fallschirmjäger ein,
die über 600 Demonstranten verhaften. Auch in London, Paris,
Berlin, Rom, Oslo, Amsterdam und Tokio kommt es zu
Massendemonstrationen gegen den Vietnam-Krieg.
l. 11.
Im Berliner Audimax findet die Gründungsversammlung der «Kritischen
Universität» statt. In über 30 Kollektiven wird mit der
Selbstorganisation des Studiums und seiner politischen Reflexion
begonnen.
9. 11.
Bei der feierlichen Rektoratsübergabe in Hamburg kommt es zu
Zwischenfällen, während denen ein Transparent mit der Aufschrift
«Unter den Talaren - Muff von tausend Jahren» entrollt wird, um
gegen die Ordinarienuniversität zu protestieren. Zu ähnlichen
Zwischenfällen kommt es noch während des ganzen Monats Oktober
in den Universitäten von Heidelberg, Tübingen, Marburg und an
der Berliner TU.
12. 11.
Während eines Gastspiels des Rostocker Volkstheaters zum 50.
Jahrestag der Oktoberrevolution in Frankfurt am Main erliegt der
Sekretär des DDR-Schriftstellerverbandes Kurt Barthel einem
Herzschlag, als Studenten versuchen, die Revolutionsrevue zu
stören.
12.11. Anläßlich
der Abreise des japanischen Ministerpräsidenten Sato in die
Vereinigten Staaten, wo über die Rückgabe der Insel Okinawa an
Japan verhandelt werden soll, organisiert die militante
Studentenorganisation Zengakuren eine Blockade des Haneda
Airports. Bei den stundenlangen Kämpfen zwischen 15000
Demonstranten und Tausenden von Polizisten werden etwa 500
Studenten verletzt und 333 verhaftet.
20. 11.
Vor Fernsehkameras unterbricht eine Frankfurter SDS-Gruppe die
Vorlesung des SPD-Mitglieds Professor Carlo Schmid durch ein go-in und
fordert eine Diskussion über die Notstandsgesetze.
23.11.
Der Mörder von Benno Ohnesorg, Kriminalobermeister Kurras, wird
in Berlin von der Anklage der fahrlässigen Tötung freigesprochen.
28.11.
Anläßlich der Prozeßeröffnung gegen den Kommunarden Fritz Teufel
demonstrieren über 1000 Studenten vor dem Berliner
Gerichtsgebäude. Die Polizei setzt Wasserwerfer und Reiter gegen
die protestierende Menge ein.
29.11.
In Gießen versucht der Verfassungsschutz Studenten anzuwerben,
um sie als Spitzel im SDS einzusetzen.
19.12.
Nach einer tumultartigen Diskussion mit dem Regierenden Berliner
Bürgermeister Schütz - «Brecht dem Schütz die Gräten; alle Macht
den Räten» - demonstrieren die Studenten vor der griechischen
Militärmission und dem Amerikahaus.
20.12.
Innerhalb von vier Wochen haben über 30000 Studenten und
Dozenten das Hochschulmanifest gegen die Notstandsgesetzgebung
unterzeichnet.
24.12.
In der Berliner Gedächtniskirche wird Rudi Dutschke beim Versuch,
während des Weihnachtsgottesdienstes von der Kanzel eine Rede
über den Vietnam-Krieg zu halten, von einem Gottesdienstbesucher
niedergeschlagen. Bei einem go-in von Studenten ins Bonner
Münster muß Bundeskanzler Kiesinger das Gotteshaus fluchtartig
durch einen Seiteneingang verlassen.
1968
10. 1.
Zwei Münchener Studenten sprengen Universitätsvorlesungen mit
Polizeiuniformen, die sie sich beim Kostümverleih geborgt haben.
Am 18. 4. werden sie von einem Münchener Gericht zu
mehrmonatigen Gefängnisstrafen verurteilt.
15 .-24. 1.
In Bremen bringen Schüler die vom Senat geplante Erhöhung der
Verkehrstarife durch Demonstrationen und Blockaden, deren
Teilnehmerzahl innerhalb einer Woche von 50 auf 4000 steigt, zu
Fall. Der Widerstand der Bremer Schüler wird zum Modellfall für
ähnliche Aktionen, die das ganze Frühjahr über noch in Bochum,
Göttingen, Oberhausen und Kiel stattfinden.
17.-18. 1.
In der japanischen Hafenstadt Sasebo, wo der US-Flugzeugträger
«Enterprise» aus dem Golf von Tonking vor Vietnam erwartet wird,
greifen etwa 1000 mit Helmen und Stöcken ausgerüstete
Zengakuren-Studenten eine Barrikade der Polizei an. Obwohl sie
unablässig mit Tränengasbomben beschossen werden, gelingt es
ihnen, die auf einer Brücke stehende Barrikade hinunterzuwerfen.
Nun werden sie von mehreren Spezialtruppen der Polizei unter dem
Einsatz von Panzerfahrzeugen eingezingelt und Schritt für
Schritt bis zur Bewußtlosigkeit zusammengeschlagen. Daraufhin
solidarisiert sich die anfänglich reservierte Bevölkerung von
Sasebo mit den Studenten und bewirft bei der Ankunft der «
Enterprise» - am 19. 1. - eigenhändig die Polizeisperren mit
Steinen. Als im ARD-Fernsehen Aufnahmen von Sasebo gezeigt
werden, kommt es in der Bundesrepublik durch Studenten zu
massenhaften Käufen der charakteristischen Bauarbeiterhelme.
24. 1.
In Berlin wird das Romanische Seminar für eine Woche geschlossen,
weil die Studenten auf Diskussionen in den Lehrveranstaltungen
bestehen.
30. 1.
Durch die Tet-Offensive, in deren Verlauf der Vietcong bis in
die amerikanische Botschaft in Saigon eindringen kann, findet
sich die US-Regierung bereit, der Eröffnung von Vietnam-Friedensgesprächen
in Paris-am 13.5.-zuzustimmen.
31.1.
Wegen der Weigerung der Philosophischen Fakultät der FU, mit den
Studenten über die Studienreform zu diskutieren, wird ihnen
zunächst der Strom abgestellt, so daß die Sitzung bei
Kerzenschein fortgeführt werden muß. Danach wird schließlich die
Tür aufgeschlagen, worauf die diskussionsun-willigen Professoren
die Flucht antreten.
1. 2.
Nach einer Vorbereitungsveranstaltung für das «Springer-Hearing»
in der TU Berlin, auf der ein Lehrfilm von Holger Meins über den
Bau von Molotow-Cocktails gezeigt wurde, werfen Unbekannte
nachts in sieben Morgenpost-Filialen des Springer-Konzerns die
Scheiben ein.
4. 2.
Während eines go-in im
Bonner Rektorat wird ins Goldene Buch der Universität der
Unterschrift von Bundespräsident Heinrich Lübke die Bezeichnung
«KZ-Baumeister» beigefügt. Lübke hatte im Dritten Reich als
Architekt Pläne zum Bau von Konzentrationslagern ausgearbeitet.
7. 2.
1000 Freiburger Studenten stürmen das dortige Amtsgericht, um
Festgenommene zu befreien.
9. 2.
In Baden-Württemberg erhalten Studenten, die wegen eines
Entwurfs zum Hochschulgesetz in Vorlesungsstreik getreten sind,
von einigen Betriebsräten Solidaritätserklärungen.
17.-18. 2.
An der Berliner TU findet unter Beteiligung von mehreren tausend
Studenten der «Internationale Vietnam-Kongreß» statt. Ein vom
Senat erlassenes Demonstrationsverbot wird noch während des
Kongresses vom Verwaltungsgericht aufgehoben. So ziehen 12000
Demonstranten, unter ihnen eine Reihe von SPD-Mitgliedern, durch
die Berliner Innenstadt. Auf der Abschlußkundgebung wird die von
den Kongreßteilnehmern verabschiedete Schlußresolution verlesen,
in der zu einer Desertionskampagne von GIs aufgerufen und die «Zerschlagung
der NATO» gefordert wird.
Teil 3 18.2.1968
- 4.5.1970
Teil 1 1955 -
2.6.1967
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